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[OBF-400903-002-01]
Briefkorpus

(Dienstag) – Oberfrohna, am 3. September 1940

Herzallerliebster! Mein lieber, guter [Roland]!

Nun ist es soweit, daß wir uns über die große Ferne hinweg die Hände reichen können. Ich will sie ganz fest halten, Deine lieben, treuen Hände, Du! Wir wollen miteinander reden, als wären wir beisammen – ja, so wollen wir es nun halten? Alle Deine kleinen und großen Erlebnisse und auch Sorgen, ich will sie getreulich mit Dir teilen, Liebster, als wärest Du leibhaftig um mich und sprächest zu mir. Ach, ich werde ja nie müde, Deine lieben [W]orte zu empfangen – zu versuchen, so gut ich nur kann, mich in Deine neue Umgebung hineinzudenken – werde nie müde, Dir zu antworten und Dir über mein Tun und Treiben zu Hause, in der Heimat zu berichten. Wenn meine Hausarbeit getan ist, dann kommt ein Erholungsstündchen. So habe ich mir meinen Tages[ab]lauf eingeteilt; es fällt meist in die Zeit nach Mittag, zwischen 1/2 3 und bis gegen 4 Uhr. Dann gehöre ich Dir so ganz, Herzliebster. Auf diese Stunde freue ich mich schon immer den ganzen Tag. Manchmal dehne ich sie sogar aus, bis Mutter heimkommt. Je nach [dem], was ich gerade vor habe in besonderer Arbeit. An den letzten Tagen der Woche gilt es dann, die Wohnung zu säubern, und da habe ich immer kurze Elle! Heute abend fängt mir Mutter ein Strickzeug an, die Ärmel für Deinen Pullover, da muß ich nun recht fleißig sein, damit er schnell fertig wird, Du wirst schon frieren. Wir wollen mal zuerst die Ärmel stricken, damit wir sehen, wieviel uns Garn bleibt für die weiteren Schritte, die wir zu unternehmen gedenken. Wir werden Dir schon was draus machen, etwas Warmes. Als wir am vergangenen Sonnabend in Chemnitz waren, habe ich etwas ganz besonders Schönes für Dich ausgesucht. Es ist noch etwas richtig Gutes, Mutter hat nicht eher locker gelassen, bis sie damit herausrückten! Ich habe es zur Hälfte bezahlt und nun muß es noch solange liegen, bis die neuen Punktkarten herauskommen. Vater opfert nämlich seine Punkte dazu.

Ich freue mich ganz sehr darüber, möchte am allerliebsten genau so was haben. Ich will Dir's schicken, aber eigentlich tut es mir leid zum [sic] Kommis. Wenn die Ausbildung wird vorbei sein, dann schreibst Du mir bitte gleich mal, was Du für Arbeit hast! Mal sehen ob es dabei recht über die Sachen geht. Jetzt wirst Du nun ahnen, was es ist; aber solange Du es nicht gesehen und an Dir gefühlt hast, weißt Du noch lange nicht, wie schön es ist. Es ist ja viel schöner und weicher, als meine Backe, oder als mein Mund! Liebster! Gestern habe ich gleich Dein Päckchen startbereit gemacht, ich bin bloß gespannt; ob Du es auch wirklich und ung[eöf]fnet in die Hände bekommst. Ich habe ihn nämlich belogen, den Mann auf der Post. Ich brauchte dazu einen größeren Karton, u. ich wollte doch furchtbar gerne alles beisammen haben, obwohl ich ahnte, daß es zu schwer wird. Feldpost darf nur 1 kilo [sic] wiegen. Na, kurzum: er wollte es nicht annehmen. Ich beschwor ihn, wollte richtig Porto zahlen – nein – da sagte ich dann, es seien Schriftstücke drin, die könnten nicht auseinander gerissen werden. Endlich gab er nach:, aber auf ihre Verantwortung! Ich bezahlte 40 Pfg. u. er machte den Vermerk drauf [sic]: „Schriftstücke – unzerteilbar!" Stell Dir nur mal vor, wenn es nicht durchgeht u. es wird geöffnet u. die sehen das Klopapier! Ich könnte laut lachen, bei der Vorstellung! Bist Du böse? Ich [m]ein, das ist kein schlimmer Streich, den ich der Post spielen will, hm? Es klingelt. – Ein Brief!! Vom Sonntag meines Matrosen! Liebster Du! Dank, vielen Dank! Ach wie ist die Ansicht herrlich, was Du jetzt alles sehen darfst! Ich freue mich ja so für Dich, mein [Roland]. Wir wollen nicht zu früh jubeln über Deine künftige Beschäftigung; aber heimlich bin ich ja so dankbar, wie es sich fügte. Na, nur erst die 4 Wochen vorbei – ich glaube wohl, daß Du das Nichtstun jetzt satt hast, aber sehne Dich nicht so nach Dienst! Weißt, ich schicke den Brief ab, lieber oft einen kurzen, damit wir wissen, es geht uns noch gut! Und Du wirst Dich doch freuen darüber? Behüt Dich Gott! Bleibe schön gesund! Ich habe Dich so lieb, Du!

In treuer Liebe

Deine [Hilde].

Vater steht auf: Viele herzliche Grüße von ihm! Selbstverständlich auch von Mutsch.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946