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[OBF-400829-001-01]
Briefkorpus

Stralsund,
Donnerstag den 29. August 1940.

Herzallerliebste!

Wenn Du jetzt hier wärest, könntest Du nun Deinen Soldaten mustern, Deinen Matrosen, wie es amtlich heißt. Ein großer Teil bekam blaue Uniformen. Ich bin feldgrau eingekleidet. Der gestrige Tag verlief so: Vormittags Langeweile, nachmittags einkleiden. Das gab wieder viel ergötzliche Bilder, verdutzte Gesichter, die Spiegel waren immer dicht umstanden von frischbackenen Rekruten, die [d]och nun auch recht schnell schmucke Soldaten sein möchten. Ich bin mit meinen Kleidern zufrieden, alles neu, nur die Stiefel gefallen mir nicht, sie sind im Schaft zu weit, aber sie passen. Wann werden wir diese Klamotten wieder los werden? Von der Unterhose bis zur Mütze bekamen wir alles ausgeteilt.

Die Stiefel, noch im rohen Leder, mußten geschwärzt werden. Am Abend beim Appell auf dem Kasernenhof waren nun fast alle eingekleidet. Die Narvikfahrer waren schon verfrachtet. Die blauen Matrosen sehen recht schmuck aus. Sie machen jungenhaft, die Dicken nicht zu ihrem Vorteil. Manch dickes Gesicht wird unter der runden Bändermütze zur Karikatur eines feisten Pfaffen. Die blauen Uniformen sind nur recht empfindlich und vor dem Halsausschnitt jetzt zum Winter hätte ich mich gefürchtet. Wohin man uns verfrachtet ist noch immer unbestimmt, man spricht von Richtung Kiel. Das hat den Vorteil der geringeren Entfernung von Hause, aber den Nachteil, daß es dort oft Fliegeralarm gibt. Na, wir werden sehen. Heute Vormittag sind wir schon mehrere Male auf dem Hofe angetreten. Verschiedene Trupps wurden zum Abtransport herausgenommen nach Saßnitz, nach Gotenhafen.

Wir liegen hier in einer schönen Marinekaserne am Hafen von Stralsund. Um einen mächtigen Hof, in dessen Mitte eine riesenhafte Kappel steht, gruppieren sich 6 Gebäude in rotem Backstein. Die Kaserne ist fast leer. Nur eine kleine Stammabteilung von jungen Matrosen liegt noch hier mit ihren Vorgesetzten. Sie helfen uns, sind äußerst nett, wie überhaupt der ganze Ton und Betrieb bis jetzt ganz ruhig verläuft. Zu essen gibt es genug. Etwas Wichtiges vermisse ich nicht. Vielleicht stellen sich noch ein paar Kleinigkeiten heraus. Schreiben kannst Du mir erst, wenn wir ein festen Standort haben, den ich Dir baldmöglich mitteile. Mit den Kameraden bin ich ganz zufrieden. Es sind alles vernünftige, anständige Kameraden. Wir liegen jetzt 16 Mann in einer Stube. Der Wehlener Berufskamerad, auch einer von den Bischofswerdaern liegt mit da. Der Wehlener Kamerad ist zur selben Abteilung abkommandiert. Bisher habe ich g[ut] geschlafen, darüber bin ich recht froh. Die Zeit vergeht schnell. Es wäre immerhin schön, wenn man uns ein wenig sinnvoll beschäftigte. Das Wetter ist unsicher und kühl wie zu Hause. Wir müssen doch ein wenig verrutscht sein.

Was werdet Ihr nun anstellen? Ich möchte schon gern mal nachsehen. Urlaub? Na, daran will ich jetzt nicht denken und davon nicht reden. Wir sind trotzdem beieinander, Herzliebes, und je grauer das Einerlei des Dienstes sein wird, desto lieber gehen meine Gedanken zu Dir.

Behüt Dich Gott! Bleibe froh und gesund!

Grüße die lieben Eltern, erzähle Ihnen von mir.

Heute nachmittag will ich das letzte Stück Aschkuchen essen.

Es grüßt Dich aus weiter Ferner in treuer Liebe

Dein [Roland]


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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.400829-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946