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Briefkorpus

Schmilka am 5. Juli 1940

Herzallerliebste, meine liebe [Hilde]. Du!

Gott fügte es gnädig, daß wir nun vor unserem Feste stehen. Eine stille freie Stunde will ich benutzen, von der Höhe, die wir erreichten, noch einmal Umschau zu halten, ehe wir hinabsteigen in die Freude, den Trubel und die Erlebnisse unseres Festes.

Nun wollen wir an heiliger Statt den Bund der Ehe schließen. Daß wir ihn vor Gottes Angesicht schließen, gibt ihm erst die rechte Weihe, Weihe nicht nur als eine schöne, festliche Zutat, sondern Weihe, die diesen Bund zu einem geheiligten Bezirk mit gottgesetzten Schranken erhebt, zu einer unlösbaren Schicksalgemeinschaft. Diese Weihe verleiht dem Bunde erst die rechte Würde und Größe, erhebt ihn zur Idee. Ehegemeinschaften kennen auch die Tiere. Der Mensch erhöht sie durch Weihe und Gelübde vor Gott zur Idee und erfüllt sie damit mit höherem Sinn und größeren Aufgaben. „Bis daß der Tod euch scheidet!“, damit werden anstelle der fließenden Grenzen in der Natur feste, harte Schranken gesetzt, aus dem rohen, unscheinbaren Stein wird ein leuchtender, kostbarer Kristall. Frei und froh treten wir in die Schranken. Sie sind uns keine beengenden, schreckenden Grenzen. Voll Freude und Schaffenslust betrachten und betreten wir den Bezirk, den sie umschließen, froh und glücklich, nun ganz aneinander gewiesen zu sein. Alle Kraft, alle Liebe, alles Streben gilt seiner Pflege. Wir fürchten nicht Leere und Einsilbigkeit und Langeweile, und das Licht göttlicher Gnade, um das zu sorgen wir nicht müde werden wollen, wird alle Dumpfheit vertreiben. Aufgaben genug werden sich uns stellen, an denen wir wachsen und wir uns immer lieber gewinnen.

Ich habe mich gesehnt nach diesen Schranken, dieser Ordnung. Schrankenlos leben schwächt, macht arm und leer und roh und zum Verächter. In der göttlichen Ordnung ist Stärke und Tiefe und Frieden. Aber so groß mein Verlangen auch war, so groß war doch auch die Sorge darum, den rechten Menschen zu finden, in dem die gleiche Sehnsucht brannte. Da ließ Gott mich Dich finden. Ich weiß, Deine ganze Kraft und Liebe, Deine liebsten und höchsten Gedanken gehören unserem Glück. Daß Du mich liebst und Dich nun als meine Lebensgefährtin mir ganz anvertrauen willst, Herzallerliebste, Du, es ist ein ganz unermeßliches Glück! Ich will es Dir danken Liebe um Liebe, Vertrauen um Vertrauen, ich will es in Treuen hochhalten als meinen besten Schatz au[f] dieser Erde. Seit wir uns kennen, hast Du aus dem Reichtum Deiner Liebe selbstlos geschenkt und hingegeben. Die Sonne des Glückes ist mir aufgegangen. Nun kann ich nur noch unter ihr sein. Für immer hast Du mich an Dich gefesselt. Deine lieben Hände werde ich nimmermehr lassen.

So bringt uns beiden der Hochzeitstag letzte und schönste Erfüllung: Mein bist Du dann ganz. Dabei denke ich nicht, daß ich ein Recht an Dir habe. Ich mag nur, was und soviel Du mir schenkst. Nein, aber nun werden wir frei sein von jeder Aufsicht und Zudringlichkeit. Daß sie verboten waren, hat uns die Frücht[e] nicht versüßt. Nun nehmen wir ganz auf uns, miteinander zu teilen und zu tragen.

Nun schließt er sich ganz der Kreis voll Heimlichkeit und Traute: ich und Du, Liebste, Herzallerliebste, in Deinem Kämmerlein, Deine lieben Hände will ich halten, in Deine Augen schauen, wir werden glücklich sein. Gott schenke uns dieses Glück, er halte uns darin demütig und dankbar!

Willst Du mit mir kommen und meine liebe Frau werden? Vor der Reife und Hohheit dieser Frage aus dem Märchen stand ich manchmal bewundernd und sehnsüchtig. Nun darf ich sie Dir stellen und weiß, daß Du sie aus tiefem, verstehenden Herzen bejahen wirst, Du meine liebe [Hilde]!

Bald will ich kommen und mir die Antwort holen!

Herzallerliebste mein! Meine liebe [Hilde] Du — Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946