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Briefkorpus

Am 3. Juli, nachmittags um 2 Uhr.

Herzallerliebster! Du!

Ich sehne mich jetzt so sehr nach Dir. Nicht lange mehr muß ich warten, dann ist der zehnte — dann sind Ferien, dann kommst Du! Ach, was ist dann alles, Liebster!

Ich fühle es jeden Tag, und immer mehr, ich kann nicht mehr sein ohne Dich. Ich liebe Dich, Du! O, so sehr.

Warum muß ich Dir eben jetzt das alles sagen?

[Ic]h glaube, ich habe ein wenig Angst. Ich bin so allein, an meinem Festkleid nähte ich; mit aller Liebe nähe ich daran, ich will mich schmücken damit, wenn ich den letzten Tag und die letzte Nacht Deine Braut bin. Nur für Dich will ich mich schmücken, für den Allerliebsten mein. Ein schweres Gewitter tobt draußen, ja — ich fürchte mich wirklich. Wenn ein Blitz mich erschlüge. Nein — nicht so denken. Aber unser Haus könnte er treffen, ich müßte fort fliehen; wer weiß, könnte ich fliehen wären Flammen um mich [da]? Ich muß reden mit Dir, Du! Wie es auch ausgehen wird. Meine Gedanken sind bei Dir, jetzt und immer, Du sollst es wissen. Du wirst es fühlen. Du! Bist heute um diese Stunde daheim? Es ist Dein freier Nachmittag, denkst Du an mich? Hast Du mich noch lieb? Ich habe Dir Unrecht getan, Du verstandest mein Handeln nicht.

Sag, kann man denn gegen die innere Stimme ankämpfen? Ich konnte es nicht, ich mußte so handeln. Verzeihst Du mir? Liebster, Du! Herzallerliebster! Komm, o komm bald, ich muß in Deinen Augen lesen, ob Du mich liebhast so, wie es immer war. Laß mich nicht so lange warten. Schreib mir, heute gleich, sag mir ein Wort, sag daß Du mich lieb hast, Du!

Ich will nicht länger hier drinnen sitzen, ich kann nicht, es ist unheimlich. Vater schläft. Ich will ihn nicht wecken, er tut mir leid, wenn er morgens so erschöpft heimkommt vom Nachtdienst. Er schläft selten so tief; eben darum kann ich ihn nicht wecken. Frau B.? Nein.

Es soll kein Fremder wissen, wie mir ist. Bin ich feige? Ich muß Stimmen hören, einen Menschen um mich haben. Zu Großmutter [Laube] gehe ich. Vater schläft — wenn etwas passiert? Ich muß warten, wenigstens bis es schwäch[er] wird, daß ich denken kann, jetzt zieht es ab. Das will ich.

Du, es ist gnädig vorüber gegangen. Nun rauscht der Regen, es ist ruhig. Ich bin noch so erregt, ich will ein Stück gehen; dann werde auch ich ruhiger. Bei Großmutter will ich Einkehr halten, will nachschauen, was sie treibt, sie ist doch auch allein. Möge das Gewitter Eure Gegend verschonen.

Mein Brief soll mit, es ist nach 3 Uhr.

Wird morgen Dein Bote kommen? Ich warte so auf ihn.

Behüt Dich Gott! Bleibe gesund!

Ich sehne mich nach Dir, mein [Roland]!

Hab mich lieb, Du!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946