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[OBF-400429-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 28. April 1940.
am Sonnabend.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland]!

[N]ach richtiger Zeit ist es jetzt um sieben. Ich liege schon im Bett. Es ist heute das erste Mal, daß ich so richtig matt bin. Es würde Dir — glaub' ich — Spaß machen, mich so zu sehen! Wovon wirst Du fragen? Vom Arbeiten! Du! Ach, Du glaubst ja nicht, wie das Schaffen in der Luft und der ungewohnte, dauernde Umgang müde machen. Seit Donnerstag geht das nun ununterbrochen. Da haben wir Wäsche gewaschen bis nachts in die 12. Stunde. Freitag früh um 5 raus und alles auf die Bleiche in den Garten gebracht. Dann gearbeitet im Betrieb von ½ 7 bis abends 5 Uhr. Daheim angekommen, gleich nach dem Abendbrot die Wohnung sauber gemacht, die Hausordnung erledigt, den Oberboden gewischt; natürlich auch überall Fensterrahmen abseifen und Scheiben putzen[.] Die übrigen Doppelfenster habe ich mit Mutter herausgenommen. Um 11 bin ich in's Bett gekrochen; so müde. Im Waschhaus haben wir am Freitag nichts unternommen, wir wären ohnehin nicht fertig geworden, und so haben wir bis heute Sonnabend gewartet, da hatte M. wenigstens einen ganzen Tag vor sich. Ich bin um 12, als ich heimkam, gleich wieder mit angetreten. Zu der 2. Stunde ungefähr hatte ich so heftig den Schlucken, daß ich dachte, Du würdest jetzt auf der Fahr[t] nach Kamenz sein. Ob das stimmt? Ich werde hören! Ja, um ½ 5 war alle weiße Wäsche trocken im Korb. Der Himmel verfinsterte sich immer mehr und kurz darauf begann ein heftiger, warmer Regen, der auch jetzt noch anhält. Na, die übrige Wäsche hängt im Trocknen und es mag sich ruhig abregnen, damit es recht schön ist, wenn Du kommst! Du! Wir haben alle Vorhänge an Möbelstücken und von den Fenstern mit gewaschen — es sieht aus wie im Armenhaus. Morgen früh heißt es wieder beizeiten aufstehen und einige Zimmer, vorgesehen sind Schlaf-  und gutes Zimmer, gründlich sauber machen, schon auf unser Fest hin. Wir wollen die Matratzen und den Diwan an die Luft tragen, mal tüchtig klopfen u. lüften. Wir können nicht alles bis zuletzt lassen — wir müssen auch noch an's S. denken, die vielen Knopflöcher, die meiner Bettwäsche noch fehlen und es wird noch so viel sein, Unvorhergesehenes. Ich will auch Wäsche legen, am Montag zur Mangel gehen, abends plätten und einige Vorhänge  wieder anbringen. Es muß doch einigermaßen wohnlich sein wenn Du kommst, mein Lieb! Ich freu' mich so sehr auf Dich!! Ja, das Großreinemachen darf Dich nun nicht gar aufregen und stören.

[Es] ist im Frühjahr die auffälligste Krankheit der Hausfrau! So wie die Natur neu ersteht, sich schmückt, so will die Hausfrau ihr Heim in neuer, frischer Pracht sich entfalten sehen — und trotz allem. Zugegeben! Ihr Männer fühlt euch doch dann noch mal so wohl zu Hause. Es ist zur Zeit bei uns kein Spaß, das Großreinemachen, weil wir alle zu sehr im Beruf angehängt sind. Wir müssen uns die Zeit weg stehlen. Doch das wird ja besser. Und ich kann mir doch einen ganz neuen, vorteilhaften Plan dafür entwerfen, wenn ich Deine Hausfrau bin. Ich habe doch jeden Tag nur für Dich und unser Heim — wenn, ja wenn nicht so bald eine dritte Person dazukommt. Darum ist mir garnicht bange. Ich will's schon so einrichten, daß Du so wenig wie möglich von dem Trubel zu spüren bekommst. Du kannst vielleicht überhaupt jetzt als Jungeselle [sic] wenig Verständnis aufbringen für den Tageslauf einer Hausfrau, deren Hauswesen in Ordnung ist. Wirst Dich so manchmal wundernd fragen, wozu das nur alles? Ist das denn nötig? Du kannst nicht wissen was es heißt, Hausfrau zu spielen — ohne den Titel von anderen mit Spott oder Ironie nachgesagt zu bekommen! Aber Du wirst ja bald schon meine Rolle kennen lernen, die ich zu spielen habe und Du wirst schon dann sehen, daß nichts, was ich tue überflüssig ist, daß alles getan sein muß.

Ach, ich könnte Dir noch lange erzählen von den guten und bösen Seiten, die der Beruf einer Hausfrau mit sich bringt. Eigentlich ist es kein Beruf, es ist eine Pflicht; eine selbstverständliche, liebe Pflicht. Sie erfordert Liebe, Hingabe, Treue, wie es eine jede Aufgabe erfordert, auf der Segen und Gedeihen ruhen soll. Ich glaube, es ist uns Frauen so eigen, daß wir unser ganzen Können einsetzen, um dieser Aufgabe mit Zufriedenheit und Stolz gerecht zu werden. Ich denke, daß jede richtige Frau diesen Ehrgeiz besitzt. Und zu wissen, alles geschieht, um einem geliebten Menschen das Leben schön und liebenswert zu machen, zu wissen, daß er sich wohl fühlt in diesem Heim, daß er es dir dankt mit frohem, zufriedenem Blick — das ist doch die schönste Aufgabe, die sich ein[e] Frau wünschen kann.

Nun will ich schlafen, Liebster! Froh und zufrieden über das, was ich heute geleistet habe — und Du! Daß ich dabei immer an Dich dachte, Liebster!  Gut Nacht!

Deine [Hilde].


am Sonntag.

Herzallerliebster, Du mein [Roland]!

Welch große, heimliche Freude hast Du in mir angezündet!

[D]u, Liebster! Ich danke Dir so sehr für Deinen Brief und auch für den vom Donnerstag, Du! Sag, was sollen nun alle dürren Worte sagen, ausrichten, über der großen Freude, die zu mir gekommen ist?

Du kommst! Du kommst! Alles andere drängen die beiden Worte zurück. Du wirst am Dienstag bei mir sein! Ganz gewiß, Du! Ich glaube daran! Du bist uns allen herzlichst willkommen! Sollst Dich nicht stören lassen, wenn Du ein bissel in die Reinemacherei hineingerätst, meinte Mutsch!

Ach Du! Uns können sie doch Stumpf und Stiehl [sic] in den Weg legen — wir steigen halt Hand in Hand drüber und lachen uns immer noch glücklich in die Augen, weil wir nur beisammen sind! Ich hab [sic] ja so viel mit geschafft und ich schaffe noch morgen, daß bald eine Ende wird. Ja, Liebster! Ich arbeite meinen Urlaub heraus, den ich für 1. u. 2. Mai eingegeben habe! Ob die Sonne scheinst, ob der Himmel weint — wenn ich nur Dich habe, so habe ich Wärme und Sonnenschein genug, Herzallerliebster, Du!

Nun komm, mein Prinz Sonnenstrahl! Komm ins Dornröschenschlo[ß], es ist gesäubert bis in seine Grundmauern! Das Dornröschen wird diesmal ganz tief schlafen, ein Kuß nur wird es kaum erwecken!

Du? Ist Dir nicht bange, daß Du am Ende den bösen Zauber nicht brechen kannst?

Wie es duftet draußen, nach Frühling — die Kirschbäume blühn [sic], immer mehr Blätter drängen zum Licht. Du, die schönste Zeit ist angebrochen; sag, empfindest Du auch die Herrlichkeit, die Seligkeit im Herzen in diesem Frühling so mächtig wie nie zuvor? Ich bin so voller Glückseligkeit, so voller Sehnsucht nach Dir! Komm Liebster, Herzallerliebster!

Ich liebe Dich so sehr! Ich küsse Dich! Du, mein Sonnenstrahl!

Behüt Dich Gott! Komm bald zu Deiner [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946