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[OBF-400426-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 26. April 1940

Herzallerliebste, Du meine liebe [Hilde]!

Ohne jede Verabredung haben sich unsre Boten gekreuzt. Ich habe [^]mich so gefreut darüber und über alles, was Du mir schreibst, Liebste! Am meisten aber doch darüber, daß Du mich bittest, wiederzukommen, Herzallerliebste, zu Dir! Weißt Du, wie gern ich komme? Du! Und nun erst recht, da es Frühling ist, richtiger Frühling, Du! Frühlingszeit, die Zeit (Zeit) der Liebenden, unsere Zeit! Du weißt, manchmal kam ich mir schon so alt vor, wenn ich die neue Zeit nicht verstehe und die Hohlheit ihrer Erscheinungen. Aber wenn ich bei Dir sein kann, Herzlieb, dann kann ich so froh und glücklich sein wie die Kinder. Liebste Du, wenn ich so jung bleibe wie mein Vater, brauchst Du nicht zu fürchten, daß ich Dir einmal zu alt werde. Viel wärmer bin ich ja schon als Du, Fischblut, Nixchen! Deine Sonne will ich sein, Dein Sonnenstrahl, Du! Lange irrte er umher und sehnte sich [d]anach, daß jemand seine Hand nach ihm ausstreckte, daß jemand nach ihm verlangte, dem spröden, eigensinnigen Strahl. Er war unglücklich, daß er nicht scheinen und wärmen und Leben wecken durfte. Nun hast Du ihn eingefangen, Du Liebe, Gute! Dein ist er nun, und ist so eigensinnig, daß er nur Dein sein will. Daß er sein Erdenkind bescheinen kann, daß das ist sein Glück, sein Leben. Nun will er sich spiegeln in den Seen Deiner Augen, über die Pracht Deiner Erde will er gleiten, auf ihr ruhen, in Deinen Schoß will er dringen, tief, tief, und sich vereinen mit Deiner Glut und Leben wecken. O Du! Herzallerliebste! Es ist ein Gotteswunder wie der Frühling. Daß ich es mit Dir erleben darf! Daß ich es Dir so schreiben darf und wissen, daß Du verstehst und mitempfindest, niemand anderem könnte ich so schreiben. Weißt Du noch, wie uns die Sorge drückte, es möchte die Sinnenfreude unsre tieferen Neigungen ersticken und überwuchern? Ich bin nicht mehr in Sorge darum. Ich empfinde so deutlich, wie unser Glücklichsein sich weit erhebt über käufliche Lust. Alle Kräfte und Sinne sind bei Dir, wenn Du mich in Deine Arme schließt, und ich weiß u. fühle dankbar und glücklich, daß die ganze Herzensliebe zusammenströmt in dem Geschenk Deiner Gunst.

Liebste Du! Sind wir nicht wahrhaft glücklich? Dürfen wir nicht froh und dankbar sein? Wie soll ich Dir meinen Dank ausdrücken? Aber nun mag ich nicht mehr schreiben, nun will ich kom[m]en. Halt den Daumen, Herzliebes! Die beiden Feiertage sind nun sicher. Aber ob ich nicht werde f müssen feiern helfen? Normalerjahreweise [sic] ja. Diesmal sollen keine Veranstaltungen sein, sagt die Zeitung. Ich konnte von unserem Bürgermeister letzten Bescheid noch nicht erlangen. Halt den Daumen. Wenn alles nach Wunsch geht, bin ich gegen 9 Uhr am Dienstagabend bei Dir (Bahnhof)! Wie ich mich beeile? Wie ich mich freue? Du! Andernfalls kann ich erst Mittwochnachmittag bei Dir sein. Aber kommen will ich ob so oder so. Beinahe habe ich ein bissel Angst vor Deiner Mutsch. Wird sie mich hereinlassen? Was wird sie sagen, was denken, wenn Du schon wieder einen anbringst?! Du! Wird sie nicht argwöhnisch sein, wenn wir einander so lieb haben? Glaubst Du im Ernst an meine Angst? Schäfel!

Die Photographien werden erst montag [sic] fertig.

Behüt Dich Gott! Bleibe froh und gesund Herzliebes! Grüße die lieben Eltern und bereite sie ein wenig vor. Was ich angebe mit meinen freien Stunden? Der Sonnabendnachmittag gehörte Dir und Deinem Boten, er ist bald um. Und dann? Von seiner Erde träumt der Sonnenstrahl, und ruht und rüstet für die Erdenreise. Du, meine liebe [Hilde]! Du bist mein! Ich bin Dein! Ich liebe Dich von ganzem Herzen!

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946