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[OBF-400415-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 14. April 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland] Du!

Heute bist Du nun in voller Lebensgröβe zu mir gekommen. Ich hab mich ja so gefreut, Du! Aber so viel Sehnsucht hab ich nach Dir, Du bist mir ganz nahe und doch ist es nicht der echte [Roland]. Klein bist Du, kann Dich mit einer Hand umfassen, und so glatt und kalt ist es an meiner Wange, wenn ich Dich mal drücke! Aber ich bin ja schon so froh und zufrieden, weil ich Dich nur sehen kann, so wie ich Dich gerne sehe, Du! In 6 Tagen, so Gott will, Liebster Du!

Ach, ich freu mich so sehr auf Dich! Das Bild von mir ist in Gnaden aufgenommen worden, [Ich] gefalle mir. Und der Vater? Gefällt ohne Zweifel! Du! Wie ich mich fühle zwischen 2 Kavalieren, alle 3 Bilder stehen vor mir — es sieht gerade so aus, als wolle ich Ausschau halten nach einem dritten. Seid auf der Hut, Ihr beiden! Sag, ist mein Brief erst am Sonnabend angekommen? Ich kann mir das nicht erklären, doch muβ ich es aus Deinen Worten entnehmen. Freitag hätte er in Deinen Händen sein müssen. Weil Du Dich nur gefreut hast darüber, dann ist ja alles gut, Du!

Ich begreife Deine Unzufriedenheit nicht, die Du äuβerst über Deine Briefe. Ich begreife und verstehe auch gut, daβ viel auf Dir lastet — ist ja auch nicht verwunderlich bei Deinen Schulverhältnissen, die Du allein bewältigen muβt — daβ Du Dich oft mit Mühe zurück findest in Dein Privatleben, weil eben Deine Arbeit alle Gedanken beansprucht. Ich spüre das selbst bei mir, wenn ich mit Menschen zusammen war, mit denen ich mich angeregt unterhielt, oder unter Menschen weilte, die mein Interesse wach riefen, zum Nachdenken anhielten und ich soll mich dann hinsetzen und Dir schreiben, es macht mir direkt groβe Mühe mich zu sammeln — ganz anders ist es, wenn [me]in Tag ruhig verläuft. Sieh und dies ist nur ein kleiner Beweis, der nur schwachen Anklang hat an Deine Lage. Es wäre halt viel, viel schöner, Du könntest heimkommen vom Dienst und ich wäre da für Dich und Du brauchtest mir nur zu sagen was Du magst, brauchtest mich nur anzushauen und ich verstünde Dich auch ohne viel Worte. Ach Du! Bald soll es so sein, Herzallerliebster!

Aber erst muβ ich Dir Deine Bedenken zerstreuen, mein lieber korrekter Advokat, Du!

Glaubst Du, daβ ich es nicht fühlen würde, wenn Du [m]ich vernachlässigest, daβ ich es mit keinen einzigen Wörtchen zum Ausdruck bringen würde? Gerade Liebende haben dafür ein feines Empfinden. Ich wäre unverständig, oder kleinlich egoistisch, wenn ich Mängel fände an Deinen Briefen. Herzallerliebster! Wie Du mir schreibst und was Du mir schreibst, es macht mich eines so glücklich wie das andere, es ist mir eines so lieb und teuer wie das andere weil aus jedem Briefe [sic] Deine groβe, beglücklende Liebe mir so warm entgegen leuchtet. An allem will ich [tei]lhaben was Dein Leben bewegt, alles muβt Du mir sagen können, sonst gehöre ich Dir nicht ganz, Du!

Ich wäre unzufrieden, schriebst Du mir nur Liebes und Schönes, Süβes und Zärtliches — dann würden mir eines Tages Zweifel kommen an Deiner wahren, echten Liebe.

Der Druck der Vorstellung and die mancherlei Sachen, die noch der Erfüllung haren, beeinträchtigte, daβ Du Dich nicht jeder einzelnen Sache mit allen Gedanken widmen konntest. Du würdest unzufrieden mit Dir — ich kenne das — aber eine zweite Person kann das dann oft besser beurteilen. Ich habe ja auch den Beweis in Händen, der mir dafür bürgt, da[β] es nur Deine Einbildung war. Psst — keine Widerrede!

Glaubst Du nun, daβ Du Unrecht hast, Dummerle?!

Nun ist es schon 10 Uhr vorbei. Ich habe von früh bis abends geschneidert und genäht und gestickt. Auf den Frühling zu, Du! Ach, hier ist es ja noch genau so kalt wie bei Dir, es regnete mit Schnee untermischt. Ich war nicht einmal drauβen heute. Besuch war da am Nachmittag, die Gertrud, meine Brautjungfer! Bis 8 Uhr, wir haben Handarbeiten gemacht und geplaudert, es war schön — sie ist ein liebes Mädel. Wenn ich solche Freundin hätte. Ach, haben wir einen Spaβ gemacht wegen dem groβen unbekannten Brautführer; sie freut sich, wie ein Honigkuchen strahlt sie, wir halten sämliche Daumen fest, daβ uns das Schicksal gnädig ist.

Am Montag.

Herzallerliebster, Du!

Gestern abend ist die liebe Muttsch energisch geworden, ich hätte genug geschrieben, sähe müde und blaβ aus, nun aber: Abmarsch und schnurstracks in's Bett!

Und die folgsame Tochter hörte auf's Wort und sagte sich [i]m Stillen: Mir kann keiner — die Woche fängt ja erst an. Eigentlich habe ich Dir garnichts Sonderliches mehr zu sagen, aber so plötzlich kan ich doch auch nicht meinen Brief beenden. Der Geburtstag am Donnerstag ist ziemlich ruhig verlaugen, wir vertagen alles auf Sonnabend/Sonntag! Muttsch hast Du groβe Freude bereitet mit Deinem lieber Brief, das soll ich Dir ausdrücklich bestellen! Sollst ihr aber nicht böse sein, weil sie nicht selber schreibt, sie hat so wenig Zeit und sie will Dir danken, wenn Du kommst. Du! Am Ende drückt sie Dich gar mal! Na, weiβt Du, das könnte ich dann doch leicht auch noch für sie abmachen, meinst Du?? Zwei Geburtstagbriefe aus Kamenz trafen ein! Sie enthielten auch das Wichtigste mit, was so geschah in der Familie [Nordhoff] — deshalb viel der Sonntagsbrief vorige Woche aus, Du muβt selbst lesen!

Am Sonnabend schrieb ich an Siegfried. Ich erinnerte ihn an unser Fest und bat ihn, wenn es irgend geht, dabei zu sein. Dann hab ich ihm mal die ganze Geschichte mit der Brautjungfer klargelegt. Ohne zu vergessen anzufragen, ob er am Ende schon eine Dame hätte, diedieses Amt versehen würde. Mit dem Vemerk, alles sei unver[bin]dlic[h] — damit er es nicht mit der Angst bekommt – habe ich Gertrud Gründers Personalien angegeben, sogar ihr Bild beigelegt, damit er sie mal anschauen kann. Das ist meiner Ansieht nach sein gutes Recht. Also, ich war zufrieden mit meinem Brief und ich glaube, Siegfried wird mich schon recht verstehn.

Ich freue mich, daβ sie das rechte Verständnis aufbringt in dieser Angelegenheit der jetzigen politischen Lage angemessen — sie nährt keine falschen Hoffnungen — sie kann es so gut verstehen, weil ihr eigner Vater aktiv beim Heer ist. Wir alle wissen nicht, welche Zeiten im Juli sein werden. Und doch muβ alles einmal erwogen sein, was zur Gestaltung unseres Festes dient. Wir können nur glauben und hoffen.

Heute war ich auf dem Bezugscheinamt. Meine Anträge sind noch nicht ausgearbeitet, Donnerstag soll ich wiederkommen. Ich bin so gespannt, ob alles genehmigt wird.

Von Frl. Sch. soll ich Dich grüβen, sie trägt mir auf, Dir zu sagen, möchtest es doch möglich machen [a]m Sonntag mit nach Kaufungen zu gehen; es sei ja unser letztes Vergnügen, das ich mit erlebe!

Ich hab ihr alles Umstände erklärt, die es Dir machen würde und daβ auβerdem Vater kommt — es wollte ihr absolut nicht in den Kopf. Die übrigen wissen noch nicht, daβ ich nicht mitkomme, die hätten mich bestimmt auch alle bestürmt. Obwohl ich schon zum letzeten Male gerne dabei wäre, ich sehe aber ein, daβ es nicht möglich ist.

Ein Fest mit der Kantorei? Ein Fest mir Dir?

Welches würde mich wohl mehr erfreuen?

Nun sind es nur noch 3 Tage, die mich von der groβen 20 trennen. Du! Ich freue mich auf Deinen Brief. Glaubst mir das? Ich habe viel Respekt, einen vollen Sonntag, wohl auch noch länger, hast Du mir geopfert?!

Ich habe eine Bitte, sie scheint Dir vielleicht wunderlich, Du! Ich möchte, daβ Du meinen Geburtstagesbrief zu mir in's Geschäft schickst. Dann ist es ein richtiges Geschenk. Ich brauche nicht heim zu rennen, es geht von der ¼ Stunde Freizeit somit keine Minute verloren. Und ich hab['] mir schon ein Plätzchen ausgesucht, wo ich ungestört lesen kann. Willst Du, Liebster?

Ich warte so sehr auf Dich, Du! Und ich hoffe noch immer auf Führers Geburtstag! Du! Heute ist bei uns richtiger Frühling, blauer Himmel, weiβe Wolken, Sturm und so föhnig warm — am Pfarrhaus die groβe Weide trägt einen zartgrünen Schleier, so schön Du! Und alle Knospen wollen nun aufspringern, ein paar Tage Sonnenschein noch, ein warmer Regen und alles steht im Frühlingsgewand da. Wenn Du nur erst bei mir bist Du! Liebster! Mein [Roland]! Ich bin so voller Glück und Sehnsucht und Liebe! Alles, was ich Dir noch sagen möchte, ach, ich kann es ja nicht ausdrücken hier auf dem Bogen, Du muβt zu mir kommen. Ganz nahe will ich Dir sein! Dein liebes Gesicht will ich in meinen Händen halten, in Deine Augen will ich sehen — ganz tief hinein, die Flamme der Liebe brennt darinnen — für mich allein, Du! Du! Behüt Dich Gott! Ich liebe Dich so sehr! Mein [Roland]!

Bliebe [sic] gesund und froh!

Deine [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946