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[OBF-400414-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 13. April 1940.

Herzallerliebste Du! Meine Liebe, Liebe [Hilde]!

Hundert Briefe habe ich nun von Dir! Ich dachte, daß er heute käme, Dein viellieber Bote. Ich zittere nicht mehr um ihn, Du! Ich kann mit Gewißheit auf ihn zählen. Ich bin traurig wenn er sich wider Erwarten verzögert, ich wäre tief unglücklich, wenn er ausbliebe. Ich habe ihn gleich gelesen, noch vor Unterrichtsbeginn, und dann war ich so innerlich fröhlich und die Schule war so leicht. Herzallerliebste Du! Du machst mich so glücklich! Wie soll ich Dir danken? „Ein Gottesgeschenk ist unsere Liebe. Welchen Wert hätte unser Leben in dieser Zeit, wenn wir einander nicht liebten?“

Herzallerliebste, das kann ich ganz besonders ermessen. Unsre Liebe hat so tief in mein Leben eingegriffen. Noch nie war ich so gleichgültig und nachlässig in meinem Dienst wie in den zwei vergangenen Jahren. Wenn ich die Schule hinter mir geschlossen habe, dann bin ich zu nichts Rechten mehr zu gebrauchen. Die Gedanken laufen auseinander, zur Schularbeit muß ich mich zwingen. Auf den Abend darf ich gleich gar nichts verschieben, dann bleibt es bestimmt ungetan. Es ist das kein beglückender Zustand; denn ganz Frei sind die Gedanken nicht. Es ist ein toller Wirbel manchmal in einem Schulmeistergehirn: Der Stand der laufenden Arbeiten in den Klassen und Abteilungen; die Sorge um den Fortschrift, allerlei neue Verordnungen; 3 Knoten in den Gehirnwindungen, die an unerledigte Geschäfte erinnern sollen, dazu die Ereignisse der Tagesgeschichte usw., dazu ein schlechtes Gewissen am laufenden Band. Es ist eine Erlösung, hier einmal auszuschalten und alles zu vergessen.

Diese Ruhelosigkeit der Gedanken stört nun freilich auch Dein Gedenken. Das merke ich ganz deutlich beim Briefschreiben. Ich bin nicht recht zufrieden mit meinen Briefen. Es geht mir zu viel durch den Kopf und es fällt mir schwer, für 2 Stunden mich ganz frei zu machen von dem ganzen Ballast. Während ich jetzt schreibe, bin ich ein wenig müde, dazu bedrücken mich noch  2 andere Schreibschulden. Das alles Lähmt. Ich freue mich auf den Abend und den morgenden Tag. Da will ich alles beiseiteschieben, und die Gedanken sollen in Ruhe auf Urlaub fahren. Zu wem, [Laube]?! Siehst Du, so spukt die Schule noch nach. Hörst Du den militärischen Anruf, siehst Du die Amtsmien[e]? Nun ist mir die ganze Pointe verdorben. Entbindest Du mich für heute der Mühe des Schreibens? Heute abend und morgen, da will ich mich ganz versenken in Dein liebes Wesen und in das Wunder unsre  Liebe, und dann will ich Deinen Geburtstagsbrief schreiben; denn der darf nicht so mißraten. Ach Liebste, es ist noch immer Winter! Frierst Du nicht in Deinem Bettlein? Rauh ist die Luft. Und hier an der Elbe ist noch nichts Grünes, keine grüne Wiese wie bei Euch, es steckt alles unter dem grauen Schlamm, der jeden Morgenhart [z]ufriert. Ein kleiner Fortschritt: die Schiffe fahren wieder, seit heute auch die Personendampfer.

Herzliebes Du! Siehst du mich? Ein wenig müde bin ich nur. Aber ganz froh und glücklich, weil ich Dich habe, Du! Laß nur jetzt den Aufwasch! Halte ein wenig Mittagsruhe mit mir, Du! Und nun spüre ich Deine Nähe, Herzliebes, nun halt mich fest, Du! Und ich will nimmer von Dir lassen, Herzliebste!

Behüt Dich Gott! Bitte grüße die lieben Eltern!

All meine Gedanken wollen zu Dir, sie können nichts Lieberes denken als Dich! Sie werden sich sehnen, bis Du ganz mein bist, bis ich ganz Dein bin!

Du! Meine Liebe [Hilde]! Ich liebe Dich von ganzen Herzen!

Dein [Roland]!

Mein Liebes Geburtstagskind!

Du meine Liebe [Hilde], meine Liebe Braut!

Recht viel Liebes möchte ich Dir sagen heute. Womit könnte ich es anders und besser, als daß ich von unsrer Liebe rede, von unserem Glück? Herzliebes Du! Glückbringer!

Als junge Burschen träumten wir nicht von Glück, sondern von Erfolgen, die nach Taten verdient wie die Früchte von den Bäumen fallen sollten. Mit Mißtrauen blickten wir nach dem launischen Glück, wir wollten nicht Günstlinge sein. Es ist das [sic] die Haltung männlicher Jugend, die in ihrer Vollkraft übersieht, wie an jedem Erfolg auch das Glück beteiligt ist. Glück kann man nicht verdienen und erwerben, es ist Geschenk, Gnade. Damit erweist es sich auch als eine weibliche Person, la (die) Fortune sagt der Franzose, Fortuna der Lateiner, und das ist der Name der Glücksgöttin. Ich brauche gar nicht in fremden Lebensläufen zu Kramen, wir beide erfahren so deutlich, was es nun das Glück ist: Wir trafen uns auch diesem weiten Erdenrund, zwei verwandte Seelen! Du kamst daher, Dein volles Herz zu schenken. Ich suchte und irrte nach einem Menschen, dem ich mein ganzes Vertrauen, meine Verehrung schenken wollte, und dem ich mich treu bewähren könnte. Und so trafen wir ein ander im rechten Augenblick, fanden uns im Lärm und Gewimmel dieses Erdenjahrmarktes. Du bist das Glückskind, das den Glücksquell entdeckte mit Deinen frischeren, wachen Sinnen. Glückskinder sind nicht Grübler und kalte Rechner, sie haben großen herzen und helle Sinne. Freimütig und unbekümmert und gutgläubig der Welt gegenüber bin auch ich im Grunde meines Wesens. Und so wurden wir zwei rechte Glückskinder, die glauben, daß sie füreinander bestimmt sind. Das beste aber an meinem Teil dieses Glückes ist, daß Du mich liebe halt, daß Du mir Deine große, tiefe Liebe schenkst, so frei und schlicht und unverfälscht, wie Gott sie in diese Erde legte. Frauenliebe, daß ich sie so erleben darf! Du! Sie hat so viel Unwägbares und Unsagbares! Ich denke an Dein kämmerlein. Wir stehen da und halten einander umschlungen, und werden unsrer froh inne, und ich fühle, wie Du mir alles schenken möchtest. Liebste Du! Das ist der Gipfel dieses Glückes! Im Sichverschenken gipfelt Frauenliebe, es ist das Zeichen höchst[e]r Huld und tiefsten Vertrauens, des innigsten Verschmelzens.

Mannesliebe ist anders, ist klarer, deutlicher zu umreißen. Der Mann will werben und dienen um die Liebe der Frau, er will ihr danken mit seiner Treue. Herzallerliebste, nichts Schöneres kann ich mir denken als Dich zu beschenken, um Dir der Beste, der Liebste zu sein, um mich Deiner Liebe wert zu erweisen. Und ich möchte beklagen, daß ich nicht reicher bin. Aber was ich Dir auch bringen könnte, es reichte nicht heran an Dein Geschenk. Doch wir wollen einander nichts vorrechnen. Ich will mich immer wieder beschenken lassen von Dir und möchte Dich beschenken. Nicht von jedem Menschen nimmt man Geschenke an. Und das ist der andre Teil meines großen Glückes, daß ich das Geschenk der Liebe empfange von einem Menschenkinde, daß in reichem Maße besitzt, was ich an Frauen schätze und hoch achte. Diesem Punkt galt unsre Prüfungszeit mit. Die Prüfung ist bestanden. Soviel ich dabei auch meinen Verstand zu Rate zog, zuletzt hast Du mich doch überwältigt mit Deiner Liebe. Sie ist stärker als Verstand, Schönheit und Ebenmaß. Das aber hat diese Prüfung doch gezeigt, daß wir auch gute Kameraden werden können. Ich bin darum keinen Augenblick in Sorge. Ich will Dich schon für alles int[e]ressieren, was mir wichtig scheint. Was könnte mich noch recht bewegen, erfreuen, erleben, wenn Du nicht daran teilhättest? Über alles Nichtverstehen schlägt die Liebe ganz feste Brücken. Herzliebes, ich kann nur mit großer innerer Freude an unsre Lebenskameradschaft denken. Sie wird uns so manche Gelegenheit geben, einander zu beschenken.

Herzallerliebste, wir stehen vor [sc]hönsten Erfüllungen! Ich soll wieder ganz heimisch werden wie in den liebsten Kindertagen, heimisch auch mit dem Herzen – aber nun bei Dir. So lange ist das her. Du willst mich umsorgen. Ich weiß, wie gut Du es kannst. Und nun sollen wir beide ein ganz eigenes Leben beginnen dürfen, Du! Es ist etwas großes darum. Eine Zeit wird es dauern, bis wir gleichen Schritt haben und das rechte Maß finden. Es macht mich froh zu wissen, daß Du frisch und frohen [M]utes anfaßt, und Du weißt, daß auch ich mich nicht so leicht verdrießen lasse. Aber weiter will ich jetzt nicht träumen. Es ist unser Vorrecht, zuversichtlich und erwartungsfroh dem allen entgegenzusehen. Wir wissen beide auch um den Ernst, den hohen Sinn und die Aufgaben unseres Bundes. Wir sind gewillt, sie scharf ins Auge zu fassen und wollen nicht vergessen, Gott um den Segen zum Vollbringen zu bitten.

Mein liebes Geburtstagskind! Es gefällt mir nicht recht, was ich bisher schrieb, es ist zu freierlich, zu wenig herzlich. Erkennst Du Dein Lieb hinter diesen steifen Zeichen und Sätzen? Spürst Du, wie mit diesem Gedenken und diesen Zeilen meine ganze Sehnsucht aufgestiegen ist, Deine Lieben Hände zu drücken, Dir ins Auge zu schauen und bei Dir zu Sein? Will´s Gott, am Sonnabend wird es sich erfüllen, dann können wir die Worte entbehren bis auf ganz wenige, Herzallerliebste Du!

Gott stehe Dir bei im kommenden Jahre! Er schenke Dir Kraft, Zuversicht und frohen Mut! Ihm sei Lob und Dank, daß er Dich schütze bisher. Unseren Bund in dem wir beide den Sinn unseres Erdendaseins sich erfüllen sehen, Gott segne ihn! Er sei uns gnädig und geduldig und erhalte uns dankbare Herzen!

Um Dir nun Glück zu wünschen,
der letzte möcht´ ich sein,
zu nächtlich stiller Stunde
bei dir im kämmerlein.

 

Du sitzt auf Deinem Bette[,]
den Blick zur Tür gewan[d]t,
ich klopfe an und komme,
fünf Rosen in der Hand.
___________

 

Ich stehe an der Türe,
Du schaust mich wartend an.
Ich hatte ein paar Worte,
die ich nicht finden kann.

 

Du siehst mich ratlos stehen
die Rosen in der Hand-
und schließt mich in die Arme
und löst des Schweigens Band.
____________

 

Des Dankes tiefe Ströme,
des Glückes Überfluß,
sie ließen mich vergessen
der dürren Worte Gruß.

 

Du hast ihn Dir gelesen
Aus meinem Augenpaar:
„Ich liebe Dich von Herzen,
Dein bin ich immerdar!“


Von Herzen alles Gute wünsche ich Dir,
Du mein Hoffen, mein Sehnen, mein Reichtum,
mein Leben,
meine Liebe [Hilde], Du! Behalte mich lieb, ich bin ganz Dein, ich liebe Dich,

Dein [Roland].

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946