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[OBF-400410-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 10. April 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland]!

Nun ist es an der Zeit, daß ich einmal ganz fest an Dich denke. O, Du! Eigentlich habe ich da eine Unwahrheit geschrieben, denn – wo waren all meine Gedanken anders in diesen Tagen, als ganz bei Dir?, mein Liebster, Du! Ganz fest Deiner denken, das sage ich so zu mir wenn ich Dir schreibe. Du! Das Hauptereignis hat ja alles andere zurück gestellt, das unser Privatleben bewegt. Unsere führenden Männer machen Geschichte, alle Welt sieht auf uns in dem Augenblick, wo unser Führer im letzten Augenblick eine Maßnahme ergreift, die wohl keiner von den übrigen Staaten vorausgesehen hat und – die uns vielleicht vor großem Unheil im Lande bewahren wird; angenommen, der Engländer wäre uns zuvorgekommen!

Ist das nun der Auftakt zum Kampfe? Ach, glaub mir, ich war innerlich nicht klar, ob ich mich freuen sollte darüber, so wie es nun kam – oder ob ich meiner Sorge nachgeben sollte, die wieder übergroß in mir aufstieg.

Freude und Sorge – ich tue der beiden keines zuviel, so glaub ich ist es wohl am klügsten. Wir sind ja alle verurteilt zu warten, was geschehen wird. Ich will Dich und auch mich nicht mit Sorgen abquälen, die noch garnicht berechtigt sind. Du! Hast ja so recht, wenn Du mir die dummen Gedanken ausredest.

Froh sein wollen wir, Liebster! Von Herzen froh sein – ich will Dir helfen dabei. Will, ohne, daß Du mich hinführst, aus den schwereren Aufgaben des Lebens das herausfinden, was nicht traurig macht, niederdrückt – sondern was uns auf´s Ziel gesehen mütig, stark, aufrecht gehen läßt, mit der Freude im Herzen. Und das kann man, wenn man im Herz weiß, daß mit dem eigenen fühlt und schlägt, bei dem man Zuflucht findet in Glück, in Leid, bei dem Geborgenheit uns umfängt wie in einer Friedensburg. Ach Du! Daß unsere Liebe blüht in dieser Wirrnis der Zeit, daß noch kein Sturm sie anfocht, ist es nicht wie im Wunder? Ein Gottesgeschenk ist unsere Liebe. Wie würde ich ohne sie durch diese Zeit finden? Hat ein Leben in dieser Zeit überhaupt Wert, wenn kein Mensch da ist, dem unser Herzblut gehört?

Ohne Liebe ist das Leben wie eine Blume ohne Duft. Müßt ich durchs Leben gehen, ohne einem Menschen all meine Liebe geschenkt zu haben, ich würde dieses Leben am Ende als verwirkt betrachten. Sich sorgen um das Liebste auf Erden, sich bangen, ängsten und dann, durch die nimmer nachlassende Liebe den Frieden zu erringen, das Ziel zu erreichen, das ist die schönste – wohl auch die schwerste – Aufgabe, die ein Weib erfüllen darf.

Ich weiß nicht, ob ich mich so recht ausgedrückt habe wie ich es empfinde, ob Du [mich] verstehen wirst. Im Manne leben wohl andere Ideale, sein Sinn steht nach anderem, er durchdringt die Welt mit Geist und Verstand – seine Fahrten gehen sozusagen in höhere Regionen; diese Gegensätze sind wohl von Natur aus so gestellt und bestimmt. Manchmal bin ich ein wenig unglücklich, wenn ich Dir nicht das sein kann, was Dir ein guter Freund oder Berufskamerad ist, ich möchte noch viel tiefer eindringen in Deine Welt um Dir mehr Kamerad zu sein. Einmal sagtest Du: ,Eine Frau, die ganz in die Welt des Mannes eindringt, ist keine Frau mehr.‘ Ich glaube Dir diese Behauptung, weil ich´s verstehen kann.

Du! Glaubst Du mir, daß ich glücklich bin, weil Du die Frau liebst, wie sie als Frau ist?

Liebster! Wenn Du mich einmal nicht brauchen kannst, weil ich mich nicht hineinfinde in Deine Welt, so laß Dir sagen, daß ich garnicht traurig sein will, sondern ganz still beiseite stehen und warten, bis Du meine Liebe brauchst. Ach, ich bin so froh, daß Du ganz mein bist, Du!

Kannst Du Dir eine Zeit vorstellen, da wir uns nicht mehr verstünden? Da unsre Wege auseinandergehen?

Nein, ich glaub das nie und nimmermehr, Du! Dazu haben wir ja einander viel zu sehr lieb! Wird es Dich auch nicht langweilen Du!, wenn ich Dir immer und immer wieder sage, wie glücklich ich bin in unsrer Liebe?

Gestern bekamen wir Deine liebe Karte. Die Eltern bedanken sich schön und lassen Dich herzlich grüßen!

Auch ich hab mich gefreut, Du! Ich bin früh nach Hause gerannt, weil ich ahnte, daß etwas da ist. Du? Morgen ist Donnerstag? Ach da ist diesmal gewiß ganz nur unser Geburtstagskind dran!

Ich hab ihm heute noch einem schon länger geäußerten Wunsch erfüllt: Eine Vase, eine runde, hohe Kugelvase aus durchsichtigem Glas, das wie Seifenblasen schimmert, darinnen künstliche Himmelschlössel – auf das Metalltischchen zu stellen, welches auf der halben Treppe bei uns steht.

Ein Paar seidene Strümpfe und die Tasche hab ich noch.

Du! Setz Dich nieder und freu Dich mit! Ich habe unsre Küche ausgesucht. Zu Limbach bei Göpfert, das große Möbelgeschäft auf der Bahnhofstraße – früher: Steiger u. Göpfert. Ich bin ganz begeistert Du! Elfenbeinfarbig, ein Modell für 680 RM! Das was da stand, war zwar verkauft, doch er läßt dasselbe für mich anfertigen. Er ruft uns dieser Tage noch mal an, weil er andere Küchen neu hereinbekommt, die wir uns auch einmal ansehen sollen, die seien billiger, aber auch schön. Er macht das bei uns gewiß möglich, er kennt die Eltern gut, unsre F.sche Verwandtschaft hat er auch bedient. Denk mal, wir waren noch bei Bachmann auf der Helenenstraße, wo Du mal den Sessel gemalt hast! Die hatten nichts da u. was hereinkommt, ist ohne Emailleäsche, also Aufwaschtisch leer, Waschbänkchen leer, das kauf ich nicht. Bei Sprößig in der Frohnaer Straße auch keine Aussicht. Wenn es am Montag nirgends geklappt hätte, wollte ich Deinen Eltern schreiben, daß sie bei Böttner in Kamenz nachfragen. Ach Du! Jetzt ist mir erst wie Heiraten, wenn ich mir unsre Zimmer nun vorstellen kann, Du! Unser Heim.

Herr G. fährt uns die Möbel hin wo wir wollen, wir müssen ihm aber einen Teil Benzin versorgen, da nimmt er auch gleich unser Speisezimmer mit. Onkel Fritz aus Mittelfrohna muß das mir zuliebe tun, das ist doch einer, ein ,Schieber‘ im Sinne des Wortes! Und eine Affäre mit dem Euch hatten wir, das heb´ ich auf bis Du kommst, zum Erzählen! Meine Bezugscheine [sic] werden bis Mitte April ausgearbeitet. Bitte halte den Daumen fest! Du, Liebster! Jetzt muß ich gleich Schluß machen. Gegen abend war Gertrud G. da auf einen kurzen Besuch, ich war eben aus der Stadt zurück. Mit einen Gruß soll ich Dir bestellen: Bauer H. in Lichtenhain hat ein Söhnchen bekommen, damit die Jutta ein Brüderchen mit Namen Günther!

Ich habe eine Quarktorte gebacken die ist jetzt aus dem Ofen, die Uhr zeigt ½ 12. Muttsch schläft schon lange und ich beinahe, Du!

Am Sonntag denk ich wieder ganz fest an Dich ja? Mein Dickerchen!

Bleibe froh und gesund, Herzallerliebster! Behüte Dich Gott!

Ich denke so viel an das graue Heer – ob sie Dich mir lassen?

Du! Mein geliebter [Roland]! Ich bin bei Dir alle Tage!

Ich habe Dich so sehr lieb, Du! Ich küsse Dich und bleibe immer Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946