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[OBF-400313-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 12. März 1940.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Heute hat der Frühling wirklich zum ersten Male um die Ecke geschaut. Die Erde ist ein einziges Rinnsal, sie bricht auf, sie tut sich auf der belebenden Sonne. Wieder geht ein Dienstjahr zu Ende. Bald jährt sich der Tag zum zweiten Male, da wir uns näherkamen, Herzliebes! Zwei Jahre schon, Du! Wie schnell scheinen sie mir vergangen jetzt. Denk nur zwei Jahre weiter, Herzallerliebste! Du! Die Rede vom ewigen Kreislauf der Jahre ist nicht sehr gescheit. Es war der vorige Frühling für Dich und mich ein and[e]rer als der vor zwei Jahren. Und der diesjährige, so Gott will, wird uns anders finden als der vorangegangene, Herzallerliebste, Du! Anders! Vertrauter, verlangender, Du! Wir sind ja einander gewiß geworden. Der Frühling sieht uns mit einem goldenen Reif am Finger. Die Frühlingssonne bescheint Braut und Bräutigam.

Wir haben sie so lange erwartet und sind froh, daß sie nun kommt. Wir wissen, sie gibt uns Kraft, sie steigert unser Sehnen, unser Verlangen, und darüber sind wir froh, darauf warten wir, darauf warten wir zum ersten Male in gewisser Hoffnung. Wir stehen auf der Höfe des Lebens, Herzliebes, vor der Erfüllung, vor der Hochzeit! Nach beschwerlichem Anstieg nähern wir uns dem Gipfel des Berges. Nun schweift das Auge beherrschend  und sieghaft über die Weiten ringsum. Gott segne uns diese Zeit! Er sei mit Dir an meiner Seite, Du, mein liebster Wandergesell! Bist ganz allein mit mir zum Berg gestiegen, Du liebe, Du tapfere, Du junge, Du feine! Nun wollen wir uns einen Platz aussuchen zur Rast, Du und ich ganz allein, Herzallerliebste Du! Ich liebe Dich so sehr!

Herzliebes! Mittwoch ist heute. Es ist solch große Freude in mir heute. Ist es, weil die Finnen und Russen nun Frieden Schließen? Ein harter Rückschlag für die Westmächte. Ist es,weil nun meine Entlassungsfeier Gestalt annimmt, und durch den Nebel der Geschäfte das Ufer unsrer Tage sichtbar wird? Am Ende aber und im Hintergrunde dieses freudigen Ausblicks, jedes freudigen Ausblicks, stehst Du, Herzliebes! Ohne Dich wäre mir auch die größte Freude nur halb. Ich freue mich auf unsere Tage, Herzliebes! auf das Glück, an Deiner Seite zu gehen, der Vertraute Deines Herzens.

Siegfried schrieb vorgestern, er bedankt sich für das Gedenken und die Geschenke zu seinem Geburtstage, auch für Deines. Er schreibt: es geht mir ausgezeichnet. Im geheimen hofft er auf Osterurlaub. Heute schrieb er schon wieder ein Karte von einem Sonntagsausflug zum Drachenfels. Die Elbe wächst zusehends. In rascher Fahrt treiben und drehen große und kleine Eisschollen vorbei. Es sieht so lustig aus.

Ich zähle und kalkuliere schon: Heute in 8 Tagen ist letzter Unterrichtstag. Vielleicht treffen wir uns doch in Dresden zur gemeinsamen Heimfahrt.

So, nun hast Du doch Deinen Mittwochgruß. Die Zeit, die ich darauf verwandte, hole ich doppelt ein über der Freude, dieses Zeichen in Deiner Hand zu wissen.

Herzliebes! Weißt Du, wie Du mir wert bist?

Behüte Dich Gott! Bleibe froh und gesund!

Was ich auch anfasse, es geht mir leichter von der Hand, weil ich weiß, daß Du mein bist, das Du mich liebst.

Ich bin ganz Dein! Ich liebe Dich so sehr! Du! Liebste!

Dein [Roland]

Bitte grüße die lieben Eltern!

Weißt Du ein schönes Geschenk für den Vater?

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946