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[OBF-400212-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 11. Februar 1940

Herzallerliebster, mein lieber, lieber [Roland]!

Selten froh und voll innerer Glückseligkeit bin ich heute. Ich bin es doch sonst nur so, wenn Du bei mir bist, Liebster.

Du bist es, der mich so sehr glücklich macht, Du! Daß wir uns fanden - daß Du mein bist - daß wir uns einander beschenken dürfen mit unserer großen Liebe, die wir so lang schon bereit hielten, - keiner soll und darf uns daran hindern - Du!, vor diesem Geschehen stehe ich ergriffen und erlebe es wundergläubig. Um die Liebe muß etwas selten Wundersames, Schönes sein, so dachte und glaubte ich immer, wenn ich darüber las oder nachdachte.

Und nun, da ich diese ganze Seligkeit erlebe, erlebe zusammen mit einem Menschen, dem ich grenzenlos vertraue, dem ich so ganz angehören will, ihm folgen will, immer, weit - bis an's Ende der Welt - nun stehe ich beklommen vor diesem großen Glück und frage mich zaghaft: Bin ich es denn Wert? Kann soviel Glück ein Menschenherz ertragen, ein Leben lang? Ach Du! Ich könnte manchmal aus übervollem Herzen hinausjubeln in alle Welt. Und doch tu ich's nicht, aus Bange davor, daß unsre Liebe zerbrechen könnte, Schaden nehmen könnte an den scharfen, bösen Kanten und Ecken, die draußen in der Welt überall hervorsehen wie giftige Krallen.

Nein, unseren Glücksgarten, den wollen wir nur einander bereiten, Du! Nur Du und ich sollen Gärtner und Hüter darin sein.

Alle tiefe, große Freude, alle Herzensseligkeit will ich hineinversenken in mein Inneres; da soll es ruhen, alles Schöne, rein und unbefleckt, soll mich groß und stark werden lassen gegen das Häßliche, das von außen hineindringen will; soll meine Liebe zu Dir immer größer, tiefer und inniger gestalten.

Liebster! Du hast mich heute so reich beschenkt. Die Freude und den Dank dafür lies aus meinen Augen; nimm, wenn Du bei mir bist, Herzallerliebster! Du und Deine Liebe, diese beiden, daß ich sie besitze, sie sind wie ein unfaßbares Wunder - und doch beseligende Gewißheit.   Du! O, Du!   Von ganzem Herzen danke ich unserm Herrgott, daß ich Dich auf meinem Wege fand.

Du bist mir der Eine, der Einzige, dem ich angehör[en] will bis in alle Ewigkeit. Mein [Roland], Du! Nur mit Dir, an Deiner Hand will ich den Weg gehen durchs ganze Leben, weil Dir allein meine ganze Liebe gehört. Mit Dir kann ich die größte, schönste, doch auch die schwerste Aufgabe erfüllen, die sich zwei Menschen stellen, die Ehe - Du bist mir Kamerad, Helfer, Tröster, Liebender zugleich. Ich kann mir nichts Besseres und Schöneres denken, als ein gemeinsames Bauen und Schaffen mit Dir, im Vertrauen auf Gottes Gnade und Schutz. In der Ehe haben dann alle guten Gedanken und Pläne Erfüllung - gebe Gott, daß uns eine helle Zukunft bestimmt sein möge.

Ehe: so heiße ich den Willen zu Zweien,
das eine zu schaffen, das mehr ist als die
es schufen. Ehrfurcht voreinander nenne ich Ehe
als vor den Wollenden eines solchen Willens.

Der das Wort schrieb ist mir unbekannt, sein Name entfallen; aber sein Wort dünkte mich wert aufzuschreiben, es berührte mich eigen - ich muß den Schreiber dieser Worte achten; ich bin dem Zufall dankbar, der sie mir in die Hände spielte.

Herzallerliebster, Du! Nun bist Du wieder einmal daheim bei Deinen Lieben, sie werden sich freuen. Meine Gedanken sind oft bei Euch - fast glaub ich, daß ich Sehnsucht habe, wieder einmal nach Kamenz zu kommen. Ostern - so Gott will.

Wird der Baum noch stehen? Wirst Du allein sein mit den Eltern? Spielen und singen willst Du, für mich? Ach Du! Ich hab heute große Sehnsucht nach Dir! Deine Verse haben Schuld daran, Du!

Es ist sehr kalt wieder bei uns, gestern waren 14° , heute ist's noch bissiger. Um 1 Uhr waren wir heute mit allem fertig. Vater machte ein Mittagsschläfchen, Mutter und ich gingen ein Stück, das Ringel wie wir's immer gehn, die Hainstraße lang nach der Knaumühle, durch die Stadt heim. Wir kamen nach einer Stunde durchfroren wieder an. Nun sitzen wir in unsrer schönen, warmen Stube; Kaffeezeit ist vorbei, es geht auf 6, Vater ist zu seiner Mutter gegangen. Jetzt beginnt es gar wieder zu schneien, vor Kälte kann's gar nicht sehr. Ich muß jetzt wieder an den Großvater denken, an die Beschuldigung. Es beschäftigte mich noch lange; so, wie ich mir sein Wesen vergegenwärtigen kann, glaub mir, ich kann es ihm nicht zutrauen. Und diese Person beschuldigt ihn dessen so überzeugend. Könnte ich doch diese Anschuldigung rechtfertigen vor Dir. Ich mag auch die Eltern, oder wenigstens Vater nicht in's Vertrauen ziehen, ich fürchte einen Skandal, wenn Vater diese Person zur Rede stellt.

Was mir noch nie auffiel, bemerkte ich mit einigem Schrecken an den eig[e]nen Eltern. Denkst Du noch daran? Vater im Omnibus nach Niederfrohna, Mutter beim Kaufmann mit der Butter. Ich habe mich innerlich für sie geschämt vor Dir. Ja, ich konnte nicht anders - wenn es auch noch kein schlimmes Übel ist - es ist gegen mein Ehrgefühl, die Ahnungslosigkeit andrer auszunützen. Aber ich hätte mir auch nicht erlaubt, als Kind, die Eltern zu rügen, noch dazu in Deinem Beisein. Wenn das noch einmal vorkommt, will ich ihnen in aller Anständigkeit und Ruhe sagen, wie ich darüber denke. Wenn ich einmal noch so mit dem Pfennig rechnen (sollte) müßte, die Ehrlichkeit muß über alles gehen. Dabei kann ich mit gutem Gewissen sagen, daß meine Eltern sonst ganz unbescholten sind. Es ist eine Schwäche zu nennen - eine unschöne, dumme Genugtuung, die sie haben dabei: „Na, durch deine Nachlässigkeit oder Unaufmerksamkeit hab ich dich aber gründlich übers Ohr gehauen.“

Es ist nicht schön, wenn ich zu Dir Übles von meinen Eltern sage; doch in diesem Zusammenhange konnte ich nicht anders.

Ich verachte sie ja auch deshalb nicht - wir haben alle andre Fehler - und ich muß sie liebhaben, trotz dieses Fehlers, weil sie mir so viel Gutes tun.

Ich weiß, auch Du bist großherzig und wirst ihnen das verzeihen. Und man kann einem Menschen, von dem man sonst nur Gutes empfängt, einer Unzulänglichkeit halber nicht feind sein - besonders den Eltern nicht. - Und nun fliegt mir da heute eine so liebe Überraschung in's Haus. Du Liebster! Mein Herzallerliebster, Du! Am Freitag kannst Du schon zu mir kommen? Ach Du! Wie ich mich da freue! Und nach langer, langer Zeit einen richtigen, ganzen Sonntag mit Dir! Du fährst selbstverständlich erst am Montag zurück - jetzt kannst Du Dich doch ein klein bissel bestechen lassen von mir, Großer! Ja? Sieh, Du darfst Dir die Tage zum Dienst tun doch wählen. Und am Freitag, Du, bist Du dann schon da, wenn ich heimkomme? Ja, bitte! Wir baden schon am Donnerstag, ach, und die Eltern freuen sich, daß sich die Fahrt nun wenigstens mal verlohnt besonders; Vater legt sich schon seine Gänge zurecht, damit er auch bissel „Ruhe“ hat und bei uns ist!

Über Mutter gibt mir's Spaß. Weil sie nun daheim ist, hat sie vergangene Woche gleich begonnen mit dem Großreinemachen für Ostern. Die ersten Tage konnte sie Fenster abseifen und putzen, weil's milde war. Alle Möbel, Türen[,] Öfen, abgeseift; Fußböden gescheuert mit Sand u. Seife, alles gebohnert. Alles Geschirr aus dem Küchenschrank aufgewaschen, den Schrank ausgewaschen, kurz, sie hatte wieder mal den Reinemachfimmel, worunter ich natürlich mit leiden mußte - damit ich was lerne! Sogar unser ‚Küchenkanapee‘ hat sie unten dran gebaut, damit man nicht mehr so tief reinplumpst. Gestern, als wir so über'ne Hantieren waren, meinte sie: „Ich weiß nicht, mir ist grad, als ob sich etwas Besonderes tun will, weil wir alles so fertig machen und vorbereiten.“

Und wirklich, heute kam Deine Überraschung - nun braucht sie sich wenigstens nicht zu übernehmen mit dem Reinemachen, kann sich noch schön Ruhe gönnen, ehe sie wieder anfängt zu arbeiten. Ich bin garnicht zufrieden heute mit ihrem Befinden, sie muß sich erkältet haben, entweder beim Kohlen holen, oder beim Fenster putzen. Tüchtigen Husten, verstockter Schnupfen und Kopfweh. Vorhin habe ich ihr mal ein tüchtiges Kamillendampfbad zurechtgemacht und einen großen Topf Fliedertee hineingezwungen. Ja, ich kann auch energisch sein. Vor allem war mir's ein wohliges Gefühl, daß ich mich jetzt einmal revanchieren konnte für das, was ich auszustehen hab, wenn sie mich in ihre Kur nimmt! Auf die Art kann ich verflixt hart und unnachgiebig sein.

Wenn Du auch länger bei mir bist, ich denke, daß wir trotzdem nicht zum Jahresessen der Kantorei gehen, es ist besser so. Wir verstehen uns schon; wenn es nicht u[n]bedingt sein soll, wollen wir Geselligkeiten mit der Kantorei meiden. Und offengestanden, wenn ich Dich jetzt bei mir habe, bin ich auf alles and[e]re neben Dir eifersüchtig. Ja, das ist wahr und ich habe geglaubt, daß ich das nie sein könnte.

Und nun, Herzallerliebster? Gebe Gott, daß sich unser Hoffen und Wünschen erfüllen möge, daß ich Dich, mein Glück am Freitag froh und gesund in meine Arme schließen kann. Du weißt ja nicht, wie ich auf Dich warten werde, Du! Wie ich mich nach Dir sehne! Komm zu mir, Liebster! Mein [Roland]! Ich liebe Dich so sehr!

Deine [Hilde].

Viele herzliche Grüße von den Eltern!

 

Am Montag

Herzallerliebster, Du!

Der Mittag kam. Ich fand die Stube leer. In unser Glücksstübchen trieb mich's , zu suchen, nach einer Spur von Dir.

Ob ich es fühlte?

Du! Herzallerliebster Du!

Ich habe sie gefunden Deine Worte.

Es war so selbstverständlich - als ob Du mir vorher gesagt hättest, daß ich da ein Zeichen von Dir fände - ich faßte zuerst nach dem schwarzen Buch, aus dem Kasten, und schlug die Seite auf, deren Datum für uns einen so wichtigen Abschnitt umschließt.

Alles Blut fühlte ich zum Herzen strömen, Du! Du!, daß ich Dich nicht bei mir hatte, Dir zu danken, mein Lieb!

Und nun ist es Abend.

Ich liege in unserem Bettlein und ich bin so sehr müde vom Tag, und ich kann doch nicht schlafen vor Sehnsucht nach Dir, Du!

Die seligen, glücklichen Stunden stehen vor mir. Und ich mein [sic], die Tür müßte sich auftun und Dich zu mir hereinlassen, daß ich Dich bei mir fühlen und liebhaben könnte.

Du! Herzallerliebster Du! Alles in mir verlangt nach Dir. Ich habe Dich so sehr lieb!

Du machst mich so glücklich. Ich kann ja nicht mehr ohne Dich sein, Du!

Ich weiß, daß Du mich ebenso sehr lieb hast.

Dein Fühlen und Denken, Liebster!, daß Du es mir auf so innig zarte Weise erschließen kannst, das beglückt mich so tief.

Zu Deinen Worten stehst Du vor mir mit Deiner ganzen großen Liebe, mit Deinem großen, reichen Herzen und deiner reinen Seele.

Nur Dir will ich gehören. Von ganzem Herzen muß ich Dich lieben immerdar, Du! Weil Du mein Herz umschlossen hältst, weil Du mich so ganz umfangen hast mit Deiner Liebe.

Ich bin unsagbar glücklich und froh, mein [Roland]! Mit deinen Worten, Deinen Gruß an mich, will ich nun schlafen, Du! Will nicht vergessen, dem Herrgott droben unsere Liebe anzubefehlen, daß er uns getreulich leite und behüte. Ich will schlafen, mein Lieb[,] und träumen von den selige[n] Stunden mit Dir.

Ich denke Dein in treuer Liebe!

Deine [Hilde].

Liebster! O Liebster! Wärst Du bei mir! Soviel des Glückes - und allein. Meine Sehnsucht wächst, Du! Ach, Du weißt ja nicht, wie Du mich beglückst, heute und immer. Ich finde keine Worte mehr, die Dir mein ganzes Glück und meinen innigen Dank zeigen sollen. Es ist nachts, da ich schreibe, ich kam von der Singstunde heim. Das ist heute mein Wunsch: Daß Du meine Zeilen recht bald erhalten mögest[,] daß sie Dir sagen möchten, wie sehr Du mich erfreust und beglückst, daß sie Dich fühlen und erkennen lassen, wie ich Dir dankbar bin, Du! Du! Daß ich Dich liebe über alle Maßen!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946