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[OBF-400207-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 5. Februar 1940.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Vor mir liegen 2 Stöße Hefte, dazu noch etliche andere Arbeit. Aber ich mag sie noch nicht anfassen. Meine Gedanken sind noch um Dich. Ich mag sie nicht stören. So kurz unsre Begegnungen jetzt sein müssen, möchte man sich sagen, es ist schade um die Mühe, um das Geld. Aber dem ist nicht so. Jede unsrer Begegnungen ist eine notwendige Station auf unserem gemeinsamen Weg. Das wird ganz deutlich, wenn ich an die gestrige denke. Herzliebes, ich bin so froh, daß ich bei Dir war, Du! So deutlich wie noch nie regte sich gestern beim Abschied der Wunsch, mit Dir nicht nur zu feiern und zu genießen, sondern auch zu bauen und zu streben. In uns[e]rer Unterhaltung brauchtest Du ein schreckliches Wort, das aber dafür im Schwange ist: Er hat sie schon gebraucht. Herzallerliebste, Du! Dieses schlimme Wort soll für auf uns niemals passen dürfen. Unsre liebe ist keine Sonntagsliebe, wenn es für den Außenstehenden auch so scheinen muß. Wir wollen, daß sie mehr ist; sie ist es auch. Und so ward mir so deutlich bewußt, daß ich Dich verlassen mußte, allein lassen im grauen, schweren Alltag, daß ich Dir nicht zeigen kann, daß ich Dir treu bin, daß ich Dich nicht nur Liebe, wenn du mich beschenkst. Es gilt ja auch für die Liebe: reicher und köstlicher wird sie durch die Mühen, die Opfer, die Überwindungen, die sie uns kostet. Herzallerliebes, deren größeren Teil trugst Du bisher. Wehre nicht ab! Ich sehe es ganz deutlich. Die Liebe fängt so an, weil des Weibes Liebe sich anders äußert. Die Überwindungen auf Mannes Seite gelten der Treue. Mannes Liebe äußert sich in der Treue, sie kann sich erst im Alltag bewähren. Herzallerliebste! Ich möchte Dich dieser Liebe so gern versichern, damit Du ganz glücklich bist und weißt, daß Du deine reiche Liebe nicht an einen Unwürdigen verschenkst. Aber wir wollen nicht rechnen mit uns[e]rer Liebe. Ich möchte Dir ja nur sagen, daß ich Dich Liebe, daß ich so glücklich bin, Dich zu besitzen, Herzallerliebste, Du, ich kann es doch noch gar nicht fassen, daß alles mir gehören soll. Es möchten Dich vielleicht viele andere Liebgewinnen; aber daran will ich ihnen allen über sein: Was Du mir bist, das würdest Du keinem anderen wieder sein, soviel würdest Du keinem anderen gelten, so glücklich und voll innerer Freude würde Dich kein andrer umfangen.

Ach Liebste, wenn ich mein Geschriebenes durchlese, gefällt es mir nicht, es ist so ungereimt, es geht durcheinander, aber ich mag es nicht durchstreichen, ich schicke es Dir so. Ich bin noch ein wenig durcheinander vom Sonntag, Du, mein Herzlieb! Ich glaube, Du bist nicht ganz unschuldig dabei. Ich sehne mich nach Dir, Du!

Es ist schon wieder Mittwoch. Die Straße ist so weich. Ich habe den Gang nach S. abgesetzt vom Programm, es ist nicht so nötig heute. Wahrscheinlich werde ich Sonntag doch nach Hause fahren, 1) um einmal nach dem Möbelstoff auszuschauen, 2) um freie Hand für unseren Sonnabend/Sonntag zu behalten.

Bitte bestelle den lieben Eltern herzlichen Gruß und Dank.

Hoffentlich müßt ihr nicht frieren.

Nun; Herzliebes, behüt Dich Gott!

Ich bin so froh und guten Mutes und gar übermütig, wenn ich Deiner denke, Du! Die Kinder wissen nicht, warum. Sei auch Du froh und gewiß, daß ich Dich liebe von ganzem Herzen, daß ich ganz Dein bin, Herzliebes, Du!

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946