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[OBF-400123-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 23. Januar 1940.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Schreiben soll ich Dir, damit Du gewiß seiest, daß es mir gut geht und daß ich Dich liebe. Du! Daß ich Dich liebe, diesen Beweis will ich Dir gern und immer aufs neue erbringen. Ich brauche ihn wohl nicht von allem Anbeginn zu führen, und Du wolltest mit Deinen Worten doch wohl sagen, daß es Dich beglückt, wenn ich Dich meiner Liebe versichere, Du wolltest damit gewiß nicht meine Liebe in Zweifel ziehen.

Ach Liebste, Du wirst es selbst schon erfahren haben, manchmal fehlt es an der Kraft, manchmal gebricht es an guten Einfällen, manchmal will es nicht gelingen, auch in der Liebe. Liebende werden sich deshalb nicht mißverstehen. Sie nehmen das Wollen für das Vollbringen, sie haben ein feines Empfinden für Aufrichtigkeit und Treue wie für Unehrlichkeit und Untreue. Wir lasen am Sonntag von der Ehe. Ohne daß ich es aussprach, weißt Du, wie ich den Bund der Ehe auffasse. Sie ist ein heiliger Stand, von Gott gesetzt, unlösbar. Diese Auffassung habe ich mir nicht nur angelesen, sie entspricht auch meinem Wesen. Im Bewußtsein ihrer Größe und ihres Ernstes gab ich mein Jawort. Ich konnte es Dir geben, weil ich Dir ganz vertraue und weil ich Dich Liebe. Mit diesem Jawort fiel eine Tür ins Schloß, mit diesem Jawort haben wir einen Wunsch vertan. Nun wohnen wir allein miteinander in unserem Ehehaus. Und die daran vorbeigehen, sehen neugierig, wie wir es uns einrichten und sie tauschen Vermutungen und Erwartungen. Wir aber fühlen uns geborgen darin im Vertrauen auf Gottes Schutz. Die Blicke und Reden der Zuschauer können uns nicht irre machen, Liebste, sie könnten mich nicht von Deiner Seite locken. Ich bin ganz Dein! Was wissen die anderen, wie froh und glücklich wir miteinander sind? Liebste, ich bin jetzt ganz unangefochten von Versuchungen. Du sollst gar nicht denken, daß ich Dir untreu werden könnte, unzufrieden mit Dir oder Deiner überdrüssig und satt. Das ist ja unmöglich, Du! Herzliebes! Du bist ja so reich! Muß ich es Dir sagen, daß Du mich entzückst und bezauberst? Du, o Du! Es ist mir ja so leid, wenn ich müde und abgespannt bei Dir bin. Du darfst es nicht als Kälte und Gleichgültigkeit deuten. Ich glaube nicht, daß wir beide einander überdrüssig werden können, jetzt nicht, und dann, wenn gemeinsame Aufgaben uns binden, erst recht nicht.

Dein unerwarteter Brief hat mir viel Freude bereitet. Unser Wiedersehen war ja so kurz, der Abschied kam so schnell, daß wir einander nicht alles sagen, einander gar nicht ganz inne werden konnten. Was seid ihr Weiberchen doch für wunderliche Kreaturen, und eben deshalb doch erst recht liebenswert. Du gibst mir Rätsel auf: „Ich war in heißer Angst."

Ja warum, und war ich denn der Schuldige? Ach, wenn nur alles gut ist, ich will gar nicht Antwort haben. Aber recht habe ich also doch, wenn ich behutsam und besorgt bin, Du!

Habe ich denn auf meiner Karte nicht geschrieben, daß ich im Christlichen Hospiz genächtigt habe? Natürlich habe ich. Zu dritt begehrten wir ½ 2 Uhr Einlaß mit Erfolg. Das schlimmste auf der Rückreise, daß man uns in Chemnitz erst beschied, der Zug führe pünktlich, dann aber von Viertelstunde zu Viertelstunde auf die baldige Ankunft vertröstete und und [sic] uns so nahezu 1 Stunde auf dem Bahnsteig frieren ließ. Das war skandalös. Aber ich stand ja nicht allein da. Herzallerliebste! Sollte der Winter bis zu unsrer nächsten verabredeten Begegnung sich nicht bessern, mußt Du Dir die Kamenzreise aus dem Sinn schlagen. Ich mag nicht, daß Du bei diesen Verhältnissen unterwegs bist und frierst, Frosthäschen, kalter Laubfrosch Du! Ich komme dann wieder zu Dir. Du weißt, wie gern ich komme. Und Du mußt auch verstehen, daß ich ohne Notwendigkeit meine Pflicht nicht verletzen darf. Abgesehen von der kleinen Unpünktlichkeit, wie schnell kann ich schuldig werden, daß ich mir zeitlebens Vorwürfe machen müßte. Ich möchte Dir alles zuliebe tun, aber das kann ich nicht. So, nun habe ich Dir meine Meinung gesagt. Vom großen Bruder läßt man es sich schon einmal gefallen.

Diese Woche ist so schnell vergangen. Wirst Du nun wieder gesund sein? Ach, Liebste ich weiß Dich zu Hause in so guten Händen, daß ich nicht so schnell besorgt bin. Ich muß noch einmal an unser Gespräch von vor 8 Tagen denken. Nützlich macht sich jeder, wo er schafft, freilich mit Unterschied. Ich glaube nicht, daß Du so leicht eine Beschäftigung findest, in der Du Dich binnen kurzem nützlicher machen könntest. Wichtiger wäre nun der Gesichtspunkt, daß Du eine Arbeit fändest, die Dich mehr zerstreut und abhält von trüben Gedanken. Aber dem steht gegenüber, daß Du mit Änderung uns und Deinen Eltern neue Sorgen und Ungewißheit heraufbeschwörst. So tapfer wie Du bist, es ist für eine Weibsperson nicht leicht, allein in die Fremde. Daß Du zu Hause sein kannst, das macht mich so ruhig. Es hat keinen Zweck, diesen Gedanken läng[e]r nachzuhängen. Sorg, aber sorge nicht zu viel--.

Sonnabendnachmittag ist es. Nun hast auch Du frei, und nun gehören wir ja eigentlich zusammen. Ich komme mir hier jetzt unnütz und übrig vor, ich bin nicht mehr vonnöten. Bei Dir ist es ein wenig anders. Auf ein paar ruhige, freie Stunden freue ich mich auch. Gesetzt, ich wäre gemütlich und nach Wunsch eingerichtet, es stünden mir dazu noch zur Wahl ein gutes Theater oder eine Einladung zu angeregter Geselligkeit, dann möchte ich diese nun zählbaren Junggesellensonntage vielleicht mit einigem Behagen auskosten. Kannst Du Dir das denken? Mit Behagen, weil ich mir die Junggesellenzeit nur vortäusche. Ehrlich gesagt, hat sie mir viel mehr Unbehagen bereitet als Behagen. Nun muß ich den Boten auf die weite Reise schicken, daß er eine Brücke schlägt zwischen uns. Er kann Dir nicht ausdrücken, was ich empfinde, wenn Du mich so reich beschenkst.

Daß Du mein bist, ist meine ganze Freude, mein Stolz, mein ganzes Glück. Du! Gott behüte Dich! Ich bin ganz Dein! Ich liebe Dich, Du!

Dein [Roland]

Bitte grüße mir Deine lieben Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946