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[OBF-391206-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 4. Dezember 1939.
Am Montag.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Es ist Abend. Nun sind wohl alle wieder an Ort und Stelle. Und nun wird es auch in Euren Räumen wieder ruhig geworden sein. Meine Gedanken ziehen mich immer wieder zurück zu den kurzen süßen Stunden fröhlichen Trubels und einmütigen Beisammenseins. Ich bin so allein heute abend. Du! Ich glaube, ich bin nicht am richtigen Ort. Ist es der Ring, der nach seinem Gesellen ruft? Herzallerliebste, er ist mir ein unschätzbarer Bürge und Zeuge dafür, daß alles nicht nur ein Traum war. Und heute abend ist er mir ein süßer Trost, weil ich weiß, daß sein Geselle bei Dir ist, an Deiner Hand, immer und immer, und daß er sich ebenso sehnt, und daß er auch heute abend bei Dir ist in Deinem Kämmerlein, Herzliebes, Du!

Ich bin bei Dir. Ich küsse Dich. Ich liebe Dich! Du!

Am Dienstag.

Herzliebes!

Ein wenig in Unordnung und durcheinandergebracht bin ich immer, wenn ich von Dir komme, Du! Aber diesmal ist mir doch besonders, als habe ich einen lieben und trauten Ort hinter mir gelassen. Wir haben zwar nicht photographiert, aber ich werde die Bilder nicht leicht vergessen. Eure Wohnstube, so echt nach Bruders Plan umgestürzt und zum Schlafzimmer hergerichtet. Die festliche Mittagstafel; die Sonne, die sich jetzt so selten macht, hat darauf geschienen. Der Verlobungskaffee beim Lichterglanz der Weihnachtsengel. Und unser Lichtlabend, unsre Lichtlnacht [sic] zu zweien, Herzallerliebste! Ach Du! Wir brauchen so wenig, um glücklich zu sein! Wie würdig haben Deine lieben Eltern unser Fest ausgerichtet, so gut vorgesorgt und vorbereitet. Und nun war es doch eigentlich wie immer, wenn ich mit Dir bin: ich spüre und empfinde es als ein großes Glück: Du bist das Menschenkind, an das ich mich halten kann, das mir anbefohlen ist, das ich liebe. Unser Ringlein? Herzallerliebste, es ist doch ein köstliches Ding. Wie warm und sonnig es glänzt! Wie es mich anstrahlt, wann ich nur will, immer ist es zur Hand. Es ist doch ein schönes, sinniges Zeichen. Es ist mir ein kostbares Unterpfand. Du bist mein!, so kündet es mir strahlend, so kündet es anderen bestimmt und trotzig funkelnd. Ganz mein bist Du nun! Du! Und die Eltern haben zugestimmt. Liebste! Herzallerliebste! Ich bin so glücklich mit Dir!

Dein [Roland].

Am Mittwoch.

Herzallerliebste!

Heute früh erhielt ich Eure beschwipste Karte. Mit Eurem übermütigen Schwips habt Ihr mich angesteckt, sodaß ich beinahe in unseren ernsten Morgengesang hätte herausplatzen müssen. Ach Liebste! Ich wäre schon gern dabei gewesen als nüchterner Zuschauer. Dich als ausgelassenen Rädelsführer unter Deinen Freundinnen zu sehen, hätte mir schon großes Vergnügen bereitet. Als ich am Montag mein Schulzimmer betrat, prangten an der Tafel die Worte: „Wir gratulieren zur Verlobung" und beim Eintreten hörte ich ein paar Mädel erregt flüstern: „Der Ring! Der Ring!" Erstaunt und betroffen quittierte ich diese Kundgebung mit erzwungener Gleichgültigkeit und einem Lob für die scharfen Spürnasen. Mir war zunächst ganz unerfindlich, wie die Kinder das erfahren haben sollten. Jetzt weiß ich es. Frau S. hat nicht ganz dicht gehalten, hat mit einer Nachbarin geplaudert und deren Junge — —. Die Großmutter gibt mir Spaß. Die paßt doch gewiß gut auf, der entgeht so leicht nichts, die stirbt auch nicht an Herzdrücken — sie fragt nicht, sie wundert sich nicht, und hat es doch bestimmt gemerkt. Ich kann ihr Verhalten nur so deuten, daß sie sich aus kaufmännisch-diplomatischen Gründen zurückhält. Verstehst Du? Mir gibt das Spaß.

Heute ist ein ganz grauer Tag. Meinen Einkauf in Schandau habe ich verschoben. Meinen Brief will ich jetzt schließen und zum Kasten bringen.

Deinen lieben Eltern lege ich im nächsten ein paar Zeilen bei. Erzähle Ihnen etwas aus diesem Brief, grüße sie bitte recht herzlich und bestelle ihnen meinen Dank. Vielleicht, daß der Sonntagsbrief mit Verspätung erst am Montag ankommt. Die nächsten Tage drängt sich wieder alles zusammen, und ich möchte diesem Brief unsre ‚Verlobungsanzeigen‘ beilegen, damit Du Dich handschriftlich unterzeichnen kannst. Du wirst schon sehen. Nun behüte Dich mir Gott.

Du bist nun noch viel öfter bei mir, Herzliebes, sooft ich das Ringlein bemerke. Und das wird nicht Ruhe geben, als bis es seinen Gesellen wiederhat, und diese Unruhe teile ich mit ihm, bis ich Dich wieder umfangen kann und küssen und Dir sagen: Ich liebe Dich! Du!

Dein [Roland].

Karte
Kommentare

Roland und Hilde freuen sich so überschwenglich über ihre Verlobubung, sodass das Kriegsgeschehen in den Hintergrund gedrängt wurde.
Aber einen Brief danach vom 8. Dez. machen sich doch beide Sorgen über den Einmarsch der Roten Armee in Finnland.
Es muss ihnen Anst machen. Robert findet es gar nicht gut, dass Russland ( Sowjetunion ) ihe Truppen nach F. schickt, weil es im Einverständnis mit der Deutschen Regierung ( Hitlerregierung ) geschieht.

Einordnung
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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946