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[OBF-391127-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 27. November 1939.

Herzallerliebster, mein lieber, lieber [Roland]!

Diesmal weiß ich vor lauter Aufregung und Freude garnicht, wo ich zuerst beginnen soll. Allem voran muß ich Dir aber recht herzlich danken, für Deine liebe Briefkarte. Wenn Dein Bote gestern auch mal einen kürzer gefaßten Inhalt barg, so hat er mich doch herzlich erfreut; denn er enthielt alles, was ich wissen muß, Du! Daß Du gesund und froh bist und — daß Du mich liebst, Du! Drei Worte sind's nur, ob Du sie mir schreibst, ob Du sie mir sagst unzählige Male — immer bin ich darüber so unsagbar glücklich, als hörte ich sie zum ersten Male. Worüber ich gestern noch so froh wurde?

Du! Deine lieben Eltern schickten mir einen so lieben Brief — in Anbetracht uns[e]res Festes; Du sollst ihn lesen, Liebster! Auch meinen Eltern schrieben sie einen lieben Brief.

Der Totensonntag bescherte uns ein fürchterliches Wetter, Schnee- und Regenschauer verbunden mit unheimlichen [sic] Sturm, der auch heute noch anhält. Ich mußte den ganzen Tag Deiner denken, ob Du in Lichtenhain bist. Früh war ich im Gottesdienst. Herr G., als Hauptmann, wohnte ihm auch bei — danach kam er herauf zu uns und begrüßte jeden einzeln. Seine erste Frage galt Dir, er läßt Dich vielmals und herzlich grüßen. Sonst sah er ziemlich wohl aus, im Gesicht, wie auch körperlich. Durch Krankheit (vielleicht das alte Übel) sei er zu diesem Urlaub gekommen, meinte Gertrud, seine Tochter. Am Nachmittag war ich zu S.s zum Kaffee geladen. Du! Dem Weihnachtsmann gegenüber hab ich nun ein leichtes Gewissen: ich bin fertig mit meiner Arbeit! Hörst Du, wie ich tief aufatme?

Luise weiß seit gestern um unser Fest. Es gab die Rede davon und sie fragte mich, ob wir uns zu Weihnachten verloben würden. Ihre Frage wörtlich genommen hätte ich verneinen können. Wenn sie aber nach dem 1. Advent sieht, daß es so ist, würde sie als erstes fragen: Hast Du das vorher gewußt? Ich müßte sie dann belügen. Ich will das nicht. Ich habe mir als Ziel gesetzt, uns[e]re neuerstandene Freundschaft immer rein zu erhalten, und ich glaube, sie ist soviel Offenheit wert.

Ja und weil ich eben von der Offenheit schreibe, bringe ich sie noch einmal in Verbindung einer  anderen Sache. Manchmal nanntest Du mich Engelchen. Heute nun las ich einen Brief, der zwar an meine Eltern gerichtet war; aber als dazugehöriges Glied der Familie sah ich darin kein Unrecht, wenn ich ihn auch las. Der Absender läßt einen gewissen Wildfang und Tunichtgut grüßen. Wir haben ja keinen andern mehr von der Sorte, also bin ich gemeint. Na, welche Gefühle ich beim Lesen hatte, kannst Du Dir wohl unschwer vorstellen. Komme Du bloß erst zu mir!! Einen guten Rat will ich Dir gnädigst erteilen: Entweder, ruhe Dich vorher gut aus, damit Du widerstandsfähig bist, oder reiche ein paar Tage Erholungsurlaub ein! Nun aber zur Hauptsache. (Und das muß ich trotz allem sagen: Meine Anerkennung Du, für Deinen schönen Brief an die Eltern, daß ich stolz auf Dich bin, würde ich sowieso nicht zugeben, auch wenn Du das schon wüßtest!)

Wie sehr ich mich freue, Du! Daß nun doch noch alle die lieben Gesichter um uns sein sollen, die nun mal bei einem Fest in der Familie dazugehören, das kannst Du Dir kaum denken. Und die Eltern freuen sich mit mir, Du! Ja, alle sollen kommen, wenn sie nur irgend können, so hatten wir's ja auch schon vorher gedacht. Ach, zu Leben werden wir schon haben ihre 11, darum ist mir nicht bange. Und bei Tische wird Platz geschafft, indem wir das Sofa heraustragen. Der Tisch wird lang ausgezogen und bis an die Fenster geschoben — zu beiden Seiten sitzen die Gäste[,] genug Sitzgelegenheit ist auch da. Dann die Betten. Mutter meinte, einmal ginge es schon, wenn alle paarweise schliefen, bloß wir beiden nicht!! Im Elternschlafzimmer: Vaters Bett, Deine Eltern. Mutters Bett, Mama und ich. Mein Bett: Hellmuth u. Elfriede. Die übrigen 3 Sofas: 3 übrigen Männer. Na, sind sie nicht mühelos untergebracht, wenn auch nicht mit allem Komfort? Es handelt sich doch nur um eine Nacht, vom Sonntag zum Montag sind's doch nur noch 6, die können dann schon bissel bequemer schlafen. Also mein lieber, lieber [Roland]! Bitte lade sie alle recht, recht herzlich ein, in meinem und der Eltern Namen — in Deinem natürlich auch mit! Und tu's sobald wie möglich; ich rechne, daß Du Mittwoch meine Zeilen bekommst und am Nachmittag bist Du ja frei, ja? Ach, ich bin nun schon so aufgeregt, Du! Am Sonnabend hab ich schon die Geschenke von meinen Eltern mit eingekauft. Wenn Du mich neugierig machst, so tu' ich's auch. Ich verrate nischt! Gestern gegen Abend haben wir noch Teegebäck gebacken, heute wollen wir der Mutter noch ein Kleid fertig nähen, dann geht's Reinemachen los; es ist nun bis Sonnabend jede Stunde besetzt. Ich will mich schon nicht überanstrengen. Am Sonnabend will ich Dich, Liebster, bezw. ,Euch‘ in Chemnitz erwarten, wie üblich. Willst Du? Herzallerliebster, mein [Roland]! Angst hab ich und Freude zugleich. Wenn Du nur erst wieder bei mir bist, ich sehne mich so nach Dir, Du! Herzliebster! Behüt Dich Gott! Möge er uns zum Fest alle recht froh u. glücklich finden. Auf Wiedersehen, Du! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946