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[OBF-391111-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 10. November 1939.

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde]!

Das ist wohl eine Erfahrung, die alle diejenigen machen, welche sich für Sonnabend und Sonntag etwas Besonderes vornehmen: Montag und Dienstag sind die längsten Wochentage, aber von Mittwoch an zerrinnen die Stunden nur so unter den Fingern. Ich bin schon wieder startbereit. In acht Tagen, wills Gott, bin ich es für Dich, Liebes. Über das Programm werden wir uns im Laufe der Woche noch einig. Beachte bitte den Spielplan der Theater. In dem Gedränge der letzten Tage, über dem aufsehenerregenden politischen Ereignis, und weil der Bote von Dir noch aussteht, bist Du beinahe ein wenig ins Hintertreffen geraten. Nicht so, daß ich Dich nicht vermißte, daß Du überflüssig wärst. Mit der Sicherheit und Geborgenheit eines Kindes tummele ich mich auf der Straße, jederzeit die schützende Zuflucht des Elternhauses hinter mir wissend. Da ist das Schatzkästlein, da ist das Album und da ist die Erinnerung an unsre Stunden und die Erwartung, sie sind die Geborgenheit, in die ich mich jederzeit zurückziehen kann, die gehören zu meinem Gepäck, auch wenn ich sie einmal nicht spüre.

Ich war so müde gestern abend, und nun bin ich schon in Bischofswerda und schreibe Deinen Sonntagsbrief fertig. Hellmuth ist mit Mutter allein zu Hause. Elfriede ist nach Löbau gefahren, ihre Mutter ist operiert worden, es sieht böse aus. Morgen Vormittag wird Vater sich noch einstellen. Es verspricht recht gemütlich zu werden. Ich wünschte Dich dabei. Ich werde froh sein, wenn das unstete Hinundher zwischen drei Orten einmal ein Ende haben wird. Es ist wohl anregend, den Schauplatz einmal zu wechseln und zumal den Arbeitsplatz hinter sich zu wissen, aber so ist es aufreibend. Darauf werden wir bei unserm Nestbau unser Augenmerk richten, daß unser Heim ein besonderer Schauplatz bleibt. Daß es so sein wird, dafür bürgt mir schon, daß ich Dich darin finden werde. Herzliebes, ich freue mich auf das Nestbauen. Herr sein im eigenen Hause. Überhaupt zum ersten Male etwas Eigenes in diese Welt stellen. Eine eigene Tür mit dem Schild [Nordhoff], und dahinter hausen zweie, [Hilde] und [Roland] heißen sie, haben sich zusammengetan, wollen ganz für sich sei[n,] ganz für sich etwas schaffen und darstellen, werden gar nicht jedermann einlassen, und ihr Nest wird bald einen eigenen Geruch haben, werden eine Welt für sich sein, und das Geheimste und Beste wird nie nach außen dringen, das Feindliche und Böse aber soll niemals darin Raum finden, und einmal soll es Elternhaus sein, und den Kindern eine gute Erziehung und ein gutes Elternhaus bieten, noch besser als die eigenen es waren, den Kindern ein Hort, Halt und Wegweiser sein. Das sind Ziele, die ich mir stecken möchte, es sind auch Ziele, auf die mich mein Beruf hinweist. Sie sind nicht kühn und hochtrabend, aber sie sind auch keineswegs leicht und klein. Und ich weiß, Du wirst mit allen Deinen Kräften mitarbeiten. Herzallerliebste! Schon stellen sich die ersten Geburtstagskaffeegäste ein, es ist ½ 4 Uhr. Ich werde mitessen für Dich.

Herzliebes! Ich freue mich auf einen Gruß von Dir. Verlebe Deinen Sonntag recht froh und zufrieden. Bitte grüße Deine lieben Eltern.

Über acht Tage, Liebste, dann brauche ich Dir nicht zu schreiben, daß ich Dich liebe. Gott behüte Dich!

Ich bin ganz Dein. Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

Du, meine liebe [Hilde]!

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946