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[OBF-391101-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 1. November 1939.

Herzallerliebster, mein [Roland]!

Kurz nach 4 Uhr ist es — ich hab den Tag endlich geschafft. Du, Liebster! Draußen scheint die Sonne, ach und überall, wohin ich sehe, ist's als sei alles vom Sonnenschein verklärt. Du! Die ganze große Seligkeit dieser vergangenen Tage trage ich noch in mir. Es war so schön bei Dir, Du!

Noch 17 Tage, dann bist Du wieder bei mir, Liebster!

Sag, bist Du auch so glücklich, mein [Roland]?

Nun möchte ich nur wissen, wie Deine Heimreise verlaufen ist. Denk nur, als kurz vor Freiberg Kontrolle kam, stellte es sich heraus, daß ich eine falsche Fahrkarte hatte. Sie lautete nach Schmilka u. ich wollte doch nach Chemnitz. Ich kann mir nicht anders erklären, als, daß wir unsre Fahrkarte verwechselt haben müssen. Ich mußte eine einfache Fahrt nachlösen. Der Kontrolleur sagte mir, ich solle diese Karte reklamieren lassen.

Meinen Einwand, daß ich die Schmilkaer Karte behalten will als Beleg, stellte er als unnütz beiseite. Ich schicke Dir nun die beiden Fahrkarten mit der Bitte: Mache Du eine Eingabe an die Bahn; versuche, das Geld zurückzuerhalten. Gib genau an, an welchem Tage das Versehen geschah, die Fahrtzeit und Linie des betr. Zuges, das muß doch meiner Ansicht nach dann nachgewiesen werden können.

Wir haben doch unsre Sonntagskarten einwandfrei gelöst und weshalb sollen wir die Bahn bereichern? Ich wundere mich nur, daß wir auf der Rückfahrt in Dresden durch die Sperre gekommen sind; es ist das sicher nicht der einzige Fall jetzt bei der Verdunklung. Wie gut, daß wir beide genug Geld hatten! Ich hätte ja einen Retter gefunden in der Not. In meinem Abteil saß ein Soldat mir gegenüber, der hörte ganz interressiert meiner Verhandlung zu und erbot sich, mir auszuhelfen. Er tat das so korrekt und höflich, daß ich im Ernstfall seine Hilfe hätte garnicht gut abschl[age]n können — er stellte sich mir vor als Feldwebel Schöder, z.Z. in Glauchau. Ich habe mich bis Chemnitz noch ganz harmlos von diesem und jenem unterhalten; aber nicht sehr angeregt, Du! Keine Bange — ich wollte nur nicht unhöflich sein. Dem alten, komischen Herrn vom Bahnsteige bin ich nicht wieder begegnet! Was ich auch nicht begreifen kann: Die Rückfahrkarte Oberfrohna - Chemnitz war auch schon zweimal gelocht, ich bin aber ohne Schwierigkeiten herausgekommen. Die Eltern waren noch auf, als ich heimkam, ich hab aber nicht erst lange erzählt, Du! Deine lieben Eltern sind Montag nachmittags heim, sie hätten sich gut vertragen miteinander; sie waren noch bei der Oberfrohnaer Großmutter. Die Mutter kommt jetzt, ich soll mit nach Limbach gehen, sie will mein Federbett kaufen noch ehe man einen Bezugschein braucht für Federn. Ich nehme den Brief mit. Er gefällt mir heute nicht, es ging alles in Eile und ich wollte Dir gerne sofort Bericht geben von mir. Eines kann Dich entschädigen, Liebster! Du weißt, wie ich Dich liebe! Und wenn wir die Gedanken auf das Vergangene richten, Du! Glaubst Du, daß noch der Worte fehlen, um unser großes, heimliches Glück vollkommen zu machen? Du! O Du! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich! Mein [Roland]! Gott mit Dir!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946