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[OBF-390913-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 13. September 1939.

Mein lieber, lieber [Roland]!

‚Heute ist der 13.‘ — so dachte ich beim Aufstehen am Morgen, und richtig, ¾ 9 konnte ich Deinen Boten in Empfang nehmen. Ich begegne immer unserm Briefträger (Herrn P., aus der Singstunde) und er lacht schon von weitem, wenn er mich kommen sieht. Und nun erst allem andern voran: Ich leugne nicht, daß ich nicht enttäuscht gewesen bin am vergangenen Wochenende — aber Dir darum böse? Nein, Du! Das war ich nicht. Du hast mir nichts abzubitten. Es mußte sich wohl so fügen, wir sind beide über die Tage hinweggekommen — nun sind sie vorüber und bitte, lieber [Roland], wir wollen nicht wieder darüber sprechen.

Ich freue mich, daß Du Dich zu Hause wiedergefunden hast, daß Du nun leichter und froher wieder an Dein Schaffen gingst. Ach Liebster! Du mußt gar so viel allein sein. Gebe Gott, daß wir uns mit dem Anbruch des nächsten Jahres froher und hoffnungsvoller finden, im Hinblick auf unser leuchtendes Ziel, als jetzt in diesen Tagen. Wenn uns auch jetzt die rechte Freude genommen ist, am heimlichen Pläneschmieden, so dürfen wir aber beide nicht verzagen und kleingläubig werden; sieh, wir sind ja noch so jung und stark und unser Glaube an den, der allezeit segnend über uns wachte, wird uns Mut und Festigkeit verleihen alle kommende Not zu überwinden. Und die nie versiegende Liebe zueinander wird uns Kraft geben, unser Glück zu erringen.

Sieg um Sieg reiht sich aneinander, ich bin stolz auf unsre Wehrmacht. Doch kein Sieg ohne Verluste. Wann wird es ein Ende haben? An manchen Tagen dürfen wir so zuversichtlich sein — dann wieder muß ich denken: das größte Ringen wird wohl erst beginnen. Eines aber steht fest, wenn Dich das Vaterland ruft —dann hält mich nichts mehr zurück in dieser Fabrik. Wenn ich Dich draußen wüßte, einsatzbereit zum Letzten, und ich sollte wohlbehütet daheim sitzen, der Dinge harren, die da kommen? Das könnte ich nicht, und wenn ich mich mit Gewalt zum ersten Male Deinem und der Eltern Willen widersetzen müßte. — Und nun wirst Du wohl runde Augen machen: Ich habe gestern Siegfried einen Brief geschrieben! Ich denke, daß er sich ein wenig freut darüber. Gestern auch teilte mir Dein Vater seine Anschrift mit: Bad Gottleuba, Res. Lazarett 164. Ich hatte gestern überhaupt eine ausgedehnte Korrespondenz, nach Bischofswerda und nach Hohenbocka schickte ich je eine Briefkarte. Vorige Woche besuchte mich, Ilse W.s Mutter. Jetzt will ich Dir noch meine Ankunft für Sonnabend mitteilen, dann setze ich einen energischen Punkt hinter die Schreiberei dieser Woche. Länger halte ich nun die schriftlichen Abmachungen meinem Adressanten gegenüber nicht aus, Du! Es bestehen nur 2 Möglichkeiten. Entweder fahre ich 1300 [Uhr] E ab Chemnitz und bin planmäßig 1430 [Uhr] in Dresden — wenn mir der ‚Gnädige‘ 1 Stunde schenkt. Oder der nächste ab Chemnitz 1550 [Uhr] D, Dresden an 1718 [Uhr] besser geht's bei den heutigen Zuständen nicht. Also, Liebster Du! Es beißt die Maus keinen Faden ab: Wir müssen warten aufeinander u. das tun wir am altbekannten Platze, hoch oben auf dem Balkon, ja? Gebe Gott, daß alles gut geht. Die Geburtstagsgeschenke habe ich auch schon bei mir. Nun bleib recht schön gesund! Behüte Dich Gott!

Ob ich große Sehnsucht habe? Das will ich niemandem verraten.

Ich liebe dich! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946