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[OBF-390905-001-01]
Briefkorpus

Schmilka am 5. September 1939.

[*]

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Sei recht sehr bedankt für Deinen langen, schönen Brief.
„Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht.“
„Was betrübst Du Dich, meine Seele
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott!“

Diese beiden Worte stehen angeschlagen an der Kirchentür zu Schandau. Sie riefen mich an in einer finsteren Stunde. Ach Liebste, wärest Du jetzt bei mir, ich müßte meinen ganzen Schmerz laut ausweinen in Deinen Schoß. Und das ich es nicht kann, das macht es mir so schwer.  Wahrscheinlich fahre ich morgen nach Hause. Dann habe ich doch jemanden, mit dem ich mich aussprechen kann. Ich sitze noch immer müßig. Bei dem Wachkommando auf dem Winterberg bin ich nicht angekommen. Die Leute da oben haben alle einen Kursus hinter sich und sind der Militärbehörde unterstellt. Eventuell kann ich ^einmal als Reservist für einen Abberufenen einrücken, ich bin mit vorgemerkt worden. Am Vormittag war ich auf dem Bezirksschulamt. Es ist völlig unbestimmt, wann die Schule wiederbeginnt. Eine Anordnung, am Dienstort zu bleiben besteht nicht. Deshalb bin ich entschlossen, morgen nach Hause zu fahren. Vielleicht kann ich Vater zur Hand gehen. Und wenn nicht, so kann ich mich doch einmal mit vertrauten Menschen aussprechen. Ach Liebste, so bin ich, gar kein richtiger Mann, es geht mir so nahe, dieses Unglück, dieses unfaßbare Unglück, das große Leid, das nun wieder umgeht.

[Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]


Und dabei in der Fremde, keinen Menschen, an dem man sich anhalten kann. Seit wann bin ich so weich, so a[n]lehnungsbedürftig? Ach Liebste! Magst Du mich so? Bei Dir kann ich mich anlehnen, Dir kann ich ganz vertrauen, Wärme und Sonnenschein finde ich bei Dir, Du meine liebe Schwester, ich Dein großer Bruder. Nun wollen wir einander nur noch fester bei der Hand nehmen, unsre Hoffnung noch fester halten und Gott inniger bitten, er möge dieses Leid wenden. Ich schreibe Dir sofort, wie ich es zu Hause traf.

Gott stehe Dir bei, Liebste! Ich halte mich an Dich! Ich liebe Dich! Behalte auch Du mich lieb!

Dein [Roland].

 

Bitte, grüße Deine lieben Eltern.

Von Mutter bekam ich eine Karte: Hellmuth und Elfriede sind am Mittwoch nach unsrer Abreise in Kamenz gewesen. Sie haben unser Ausbleiben (auf Mutters lebhafte Vorstellungen hin, Du weißt) sehr übel genommen. Mutter hat den Besuch erwidert und alle Überredungskünste aufgeboten, alles ins Reine zu bringen.

Meine liebe, liebe [Hilde]!

Eben erhielt ich Deinen lieben Brief, in dem Du Dich anmeldest. So herzlich Du mir willkommen bist, Gegen [sic] Deinen Entschluß steht zunächst mein Entschluß, nach Hause zu fahren. So wie ich gestern, hast auch Du schwarz gesehen. Liebste, heute habe ich wieder Hoffnung, Hoffnung darauf, daß die Fackel eines großen Kriegsbrandes noch erst im Glimmen ist, und vielleicht noch ausgelöscht werden kann.

Wenn ich einberufen werde, — wie das geschieht, weiß ich nicht, doch anders als bei denen, die schon einmal gedient haben, — dann besuche ich Dich vorher, wenn ich nur irgend kann. Das verspreche ich Dir. Und könnte ich nicht, dann ist doch wohl ziemlich bestimmt Gelegenheit, daß Du mich besuchst.

Falls ich in (Bischofswerda) ^Kamenz bleiben sollte, wäre es nicht ausgeschlossen, daß ich Dich (Euch) über Sonnabend und Sonntag besuchen würde. Falls ich nach Schmilka zurückkehre, ist es möglich, daß ich Dich zu Deinem geplanten Besuche auffordere. Also bitte, warte meine Weisungen ab.

Ich habe wie Du den Wunsch, bei Dir zu sein. Aber behalte mit mir den Kopf oben, hoffe mit mir!

Ich bitte Gott, daß er unser Hoffen stärke und unsre schwache Kraft. Er behüte Dich und die Deinen!

Ich liebe Dich!

Dein [Roland].

Es bleibt uns die Aussicht auf ein Wiedersehen am Sonntag.

 

[* = Brief ist mit einen großen roten Kreuz markiert]

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.390905-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946