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[OBF-390719-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 19. Juli 1939.

Mein lieber [Roland]!

Während ich hier im unheimlich schwülen Zimmer sitze, türmen sich am Himmel finstre Wolken; jetzt erhebt sich der Wind, und er wirbelt den Staub hoch bis an meine Fenster — die ersten Tropfen fallen und nun strömt der Regen hernieder. Wie wohltuend die kühle, reine Luft meine Stirn umschmeichelt. Wenn das Wetter nur nicht so heftig wird.

Heute weiß ich Dich — wie vereinbart war — mit Deinen Kindern in Hohnstein. Ach Liebster! Heute empfand ich das Stillsitzen wieder einmal so schlimm. Meine Gedanken waren immerfort bei Dir und ich fühlte, daß auch Du meiner gedachtest.

An diesem herrlichen Sommertag wäre ich so gerne mit Dir hinausgewandert, irgendwohin — wo es ganz still und einsam ist. Ich sehne mich nach Dir, Du! Eine Woche muss ich mich noch trösten — dann, so Gott will, bist Du endlich wieder bei mir!

Der vergangene Montag war ein Glückstag für mich. Du! Ich muß Dir etwas ganz leise ins Ohr sagen, etwas Wunderschönes: Ich bekomme noch 14 Tage Urlaub! Sag, freut es Dich auch so sehr, wie mich? Mir, als der Einzigsten [sic] hat er sie bewilligt. Erst konnte ich's garnicht fassen, dann hab ich den Chef vor lauter Freude die Hand gedrückt. Aus dem Grunde hatte ich Glück: Der Chef war die ganze, letzte Woche auf Reisen, Montag war er da und ich hörte, daß er Dienstag wieder auf 2 Wochen wegfährt. So nutzte ich rasch die Zeit — punkt sieben früh ließ ich mich melden und weil ich mächtiges Herzklopfen hatte, dachte ich ganz fest an Dich. Du! Das gab mir Mut. Ich fand ihn in rosigster Laune und sehr vernünftig. Also Liebster! Wirklich und wahrhaftig Ferien, vom 13. August bis zum 27. Früher ging es nicht einzurichten, weil noch 5 an[dere] wegbleiben in dieser Zeit.

Wenn Du nun heute heimkommst, wirst Du vielleicht enttäuscht sein, meinen Boten nicht vorzufinden. Bitte, sei nicht böse wegen der Verspätung!

Den Sonntag verbrachte ich mit den Eltern recht angenehm in Glauchau, bei Onkel und Tante. Solche Geburtstagsfeier ist doch etwas Schönes — Dir hätte sicher auch das Herz im Leibe gelacht, beim Anblick dieser reichhaltigen Speisekarte! Mit den beiden Kleinen hatte ich auch meine liebe Not. Abends um 9 fuhr uns Onkel wieder Heim.

Montagabend hab ich erst einmal Deinen lieben Eltern geschrieben, ich wollte auf keinen Fall noch länger damit warten. Ich habe das Konzept noch hier, magst es ruhig mal lesen, wenn Du bei mir bist. Und gestern hab ich 2 ½ Stunden geplättet, Wäsche von mir, ein Kleid und die Gardinen für mein Kämmerchen, die habe ich auch gleich noch aufgemacht. Ein wenig Vorbereitung ist doch immer, wenn Besuch kommt. In der Woche wird es meist um 7, ehe wir Abendbrot essen und die Stunden bis zur Schlafenszeit sind ja so kurz. Ich bin nun mal am andern Tage zu nichts nütze, wenn ich nicht ausgeschlafen bin. Ich muß die Arbeit verteilen, auf jeden Tag etwas. Die heutige Arbeit ist mir lieb.

Mein lieber [Roland]! In der Angelegenheit des Kantorenamtes bin ich nicht ganz ohne Sorge. Vielleicht hast Du bis zum Wiedersehen schon genauen Bescheid vom Bezirksschulamt? Du wirst mir erzählen, wie sich die anderen dazu stellen. Diese Sache kommt nicht überraschend, sie war vorauszusehen — und doch regt es mich ein wenig auf. Es ist kein leichter Weg für Dich. Alle meine guten Wünsche sind mit Dir, Du! Ich bete für Dich.

Die Fragen, die am letzten Beisammensein ans uns herantraten, alles, was sich nun auftat, es weckte kein großes Bangen in mir — viel mehr ein tiefes Glücksgefühl. Und seit ich Deinen lieben Brief in Händen habe, weiß ich mich einmal mehr einig mit Dir darüber, daß wir beide froh und zuversichtlich, im gemeinsamen Schaffen an unser[e]m Glück weiterbauen dürfen. Ich stimme Deinem Plan zu, wir wollen erst uns einig werden, ehe wir die Eltern zu Rate ziehen.

Du wolltest nicht, daß diese Fragen überhaupt in der Weise angeschnitten würden. Aber sieh, ist es nicht, als habe es sich so fügen wollen? Wir hätten doch nur unserem Gesprächsthema rasch eine andere Wendung geben können, wenn wir fühlten, es ist noch nicht die rechte Zeit dafür gekommen — wir sind doch sonst nicht so ungeschickt. Doch immer wieder kamen wir darauf zurück.

Und wenn wir in einer ruhigen Stunde wieder davon sprechen, von diesen wichtigen, ernsten Dingen, so müssen wir beide vernünftig sein — ich will Scheu und Schamgefühl unterdrücken, es ist in dieser Angelegenheit nicht am Platze, ich sehe das ein.

Liebster! Du machst Dir Gedanken darüber, daß Dein Benehmen aufdringlich war?

Wir hatten uns so lieb — es überkam uns wie ein Sturm. So wie wir unserem übervollen Herzen Luft machen durch Liebkosungen, so müssen wir es oft auch durch Worte. Liebster! Du! Ich verstehe Dich.

Ich habe Dir nichts zu verzeihen!

Ach Du! Ich weiß heute garnichts Schreibenswertes [sic] mehr. Mein ganzes Denken geht darauf, recht bald bei Dir zu sein! Morgen über acht Tage ist Donnerstag — Du mußt mir aber schreiben, wann Du ankommst, ich will Dich abholen.

Manchmal beneide ich die kleine Christa.

Ich will nun schlafen gehen und wieder so schön träumen von Dir.

Gut Nacht! Behüt Dich Gott! Bleib auch Du gesund, mein lieber, lieber [Roland]!

Ich möchte Dir ganz nahe sein, Du! Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

Deine [Hilde].

Die Eltern lassen Dich grüßen!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946