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[OBF-390714-001-01]
Briefkorpus

Lichtenhain am 14. Juli 1939.

Meine liebe [Hilde]!

Diese Woche ist mir schnell vergangen. Ich habe jeden Tag Deiner gedacht, aber nicht so ungeduldig wie vorige Woche. Ist es, weil wir am Sonntag uns so lieb hatten, oder ist es, weil wir hoffen dürfen, uns bald wiederzusehen? Auf der Heimfahrt — sie verlief ganz planmäßig — betrübte es mich, daß wir es dulden müssen, wie uns der Zug Kilometer um Kilometer, Haltestelle um Haltestelle auseinanderfü[hrt], Dich weit nach Westen, mich nach Süden, bedrückte mich auch der Gedanke, wie Pflicht und Beruf die Glieder einer Familie, die zusammen sich so gut helfen und stärken könnten, auseinanderreißt in Ferne und Fremde, wo nun jedes einzeln viel schwerer seinen Mann stehen muß.

Ich bin Dir von Herzen dankbar, daß Du gekommen bist. Zu Hause empfinde ich deutlicher, daß Du zu mir, zu uns gehörst. Ach Liebste, mir ist gar nicht bange bei dem Gedanken, daß Du einmal immer bei mir bist, mir ist auch nicht bange vor dem Alltag. Wenn ich dann vom Dienst in der Öffentlichkeit fliehen kann in die traute Heimlichkeit des Heimes, an dessen Schwelle dann mein Herzlieb mich erwartet — Du weißt darum. Und meine ganze Kraft will ich daransetzen, Dir die Bangigkeit der Fremde zu vertreiben. Ach Liebste, ich fürchte auch nicht die stillen Tage, in denen sich die neue Liebe entzündet. Ich freue mich darauf, mit Dir zu bauen und zu schaffen.

Es war diese Woche eine bewegte Woche. Am Montagabend hatte mich unser Pfarrer zum Abendbrot gebeten. Dabei eröffnete er mir, daß der Kirchenvorstand mich zum Nachfolger des Kantors ausersehen hat. Ich erklärte ihm, daß ich grundsätzlich bereit sei, das Amt zu übernehmen, berichtete ihm über die Lage der Dinge und sagte ihm, daß ich davon überzeugt sein man werde mich hier nicht heranlassen. Am Donnerstag habe ich wegen derselben Angelegenheit beim Schulrat vorgesprochen, habe ihm ohne Umschweife alles dargelegt. Er hat nichts eingewandt, hat wenig dazu gesagt. Die Audienz war ziemlich kurz und endete mit dem Bescheid, ich solle in einem Gesuche um die Zuteilung des Amtes bitten mit der nötigen Begründung. Das ist der amtliche Weg; denn jede Nebenbeschäftigung bedarf der Genehmigung des Bezirksschulamtes. Ob das Bezirksschulamt diese Genehmigung erteilt, ist fraglich. Haben Dir Mittwochnachmittag nicht die Ohren geklungen? 5 Mann hatte ich zu Besuch. Vaters Bruder Otto mit Frau (die uns ch im Oktober mit Schwester Grete überraschten) und ihrem Jüngsten weilen gegenwärtig in Hertigswalde bei Sebnitz, sie hatten sich angemeldet. Ganz überraschend erschienen dazu Vaters Bruder Paul (aus Thüringen) mit seinem Sohn. Von Mittag bis Abend waren sie meine Gäste. Es gab einen recht gemütlichen Familienkaffee unten in H.s Stube. Es war geplant, den Kaffee auf dem Hochbusch einzunehmen, aber gegen 4 regnete es ein. Nach dem Mittagessen waren alle in meiner Stube versammelt, und man verlangte danach, auch von Dir etwas zu hören und zu sehen. Die Tante sparte nicht mit Schmeicheleien, der Onkel belegte nahm sich die Aufnahme von damals mit. Ich habe mich mit Anstand aus der Affäre gezogen, es war alles nicht bös gemeint und Onkel Paul sagte ganz richtig: „S’is ock, daß mersch weeß" [sic]. Ich aber war voll heimlicher Freude darüber, daß Du mein bist.

[Brief unvollständig]

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946