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Briefkorpus

Oberfrohna, am 22. Mai 1939.

Mein lieber [Roland]!

Vor einer halben Stunde kam ich zurück aus der Stadt, ich hatte noch Verschiedenes zu besorgen. Es dreht sich überhaupt alles nur noch um die Reise — und die Tage sind ausgefüllt bis in’s Letzte. Ich will Dich aber trotz allem Drasch nicht stiefmütterlich behandeln, Du! Kannst nur keinen sehr langen Brief bekommen.

Am Sonntagmorgen erhielt ich Deine lieben Zeilen, und ganz gegen meine Erwartung so viel.

Du hast mich so froh gemacht, ich danke Dir, mein lieber [Roland].

Weil Du mir gut heimgekommen bist und hast Deinen Dienst ohne Unannehmlichkeiten angetreten; ich war nicht ganz ohne Sorge darum. Auch ich war zwei Tage lang noch müde und matt, die Arbeit schmeckt mir heute noch nicht recht — viel lieber möchte ich erst meine Sachen in Ordnung bringen.

Die Himmelfahrtswanderung kann uns doch kaum sehr angestrengt haben, ich glaube fast — wir haben uns zu lieb gehabt? Du! Wird das einmal anders werden? In der Zeit zwischen unseren Begegnungen beschäftigt mich manches, worüber ich mich dann mit Dir austauschen möchte. Und dann ist es so, wie ich schon sagte — Du stehst vor mir, ich höre Deine Stimme, alles andere tritt zurück und ich bin nur noch ganz erfüllt von Deiner Nähe. Welche uns die liebste Stunde war? Ach Du! Beide fühlen wir das Gleiche.

Wie ein Wunder erlebe ich diese Stunden, die nur einzig und allein uns gehören. Mir ist, als schöpfen wir sie aus zwei klaren, tiefen Brunnen, die wohl unerschöpflich sind. Glückseligkeit, das ist der rechte Ausdruck für dieses Empfinden. Das konnte ich lesen in Deinen Augen, Liebster. Dich froh und glücklich machen, ist mein größter Wunsch. Was sich keinem vorher erschloß, Dir will ich [es] schenken freudig und gern; denn ich liebe Dich.

Zwei Tage sind rasch vorbei, der Zug entführte Dich mir. Schmerzlich empfand ich bei meiner Heimkehr die Leere, und wenn ich abends im Kämmerchen liege, übermannt mich oft die Sehnsucht nach Dir.

Es macht mich so froh von Deiner Hand bestätig, zu wissen, daß Du Dich in unser[e]m Hause wohlgefühlt hast; nicht minder erfreut sind darüber die Eltern, Du sollst nichts entbehren und Dich fühlen, als seist Du zu Hause. Ob wir Dir ein wenig Dein Zuhause ersetzen können? Ich werde bald Antwort wissen auf diese Frage! Ich habe jetzt nur wenig Herzklopfen wenn ich daran denke — Du bist ja bei mir.

Deine Sorge, Du könntest mir ein wenig stumpf und lustlos erschienen sein, ist unbegründet. Die Spannung vorher und der ziemlich anstrengende Musterungstag, machte sich in Deiner Mattigkeit spürbar, Du kamst mir am Mittwochabend ein wenig überanstrengt, blaß vor. Aber diese Anzeichen wirkten nicht störend auf Deine Umgebung ein. Und auf unsrer Wanderung warst Du so aufmerksam und aufgeschlossen. Kurz — Du konntest gar kein lieberer Wandergefährte sein.

In den Stunden des gemeinsamen Wanderns und Schauens empfinde ich froh und dankbar, was Du mir bist. Alles Wissen teilst Du mit mir, auf welchem Gebiete es auch sei, Du förderst mich mit Geduld. Du Lieber! Guter!

Nun noch 5, 6 Tage und wir sind wieder beieinander. Ich will mich gar nicht sehr freuen, dann wird’s immer am schönsten. Eine ganze Woche darf ich bei Dir sein, Du! Ob wir uns wohl so lange vertragen? Na, verhauen laß ich mich nicht von Dir. Dein kleiner Kampfgenosse hat Dich verlassen? Hoffentlich gewöhnst Du Dir in dieser einen Woche die Keilerei ab!! Die KdF-Gäste wurden abgesagt, nun beschlagnahme ich Dir wenigstens nicht Dein Bett. Mein Kleid liegt auf der Nähmaschine und harrt seiner Vollendung[.] Ich habe Deine Wünsche auch mit berücksichtigt, weil Du mich damit auf eine gute Idee brachtest. Ein neues Vorderteil ist entstanden. Du ahnst ja nicht wie ich geschwitzt habe am Sonntag. Kunstvoll habe ich alles eingeriehen [sic] und bei der ersten Anprobe — o Himmel — da hatte ich so viel Figur, daß mir Angst und Bange wurde, wohin damit. Mutter hat sich über mein Gesicht schön lustig gemacht. Jetzt hab[e] ich das geändert und ich glaube, es wird Dir gefallen.

Seit Du fort bist, hat es fast ununterbrochen geregnet, bis Pfingsten muß sich das Wetter in’s Gegenteil wandeln. Ich glaube dieser Witterungswechsel hat Mutter angehangen, sie hat seit Donnerstag keine Beschwerden mehr gehabt. Seit heute arbeitet sie wieder. Die Eltern freuten sich über Deine Karte. Sie schlafen zwar schon lange, doch ich soll Dir ihren Dank und herzliche Grüße sagen.

In den nächsten Tagen werde ich mich um meine Karte nach K. kümmern. Ich weiß jetzt nichts Schreibenswertes mehr.  Ich warte auf Deine Befehle, hoher Herr!

Behüt Dich Gott! Bleib gesund, mein lieber [Roland]! Ich liebe Dich, ich drücke Dich ganz fest an mich und Küsse Dich, Du!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946