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Briefkorpus

Lichtenhain am 12. Mai 1939.

Meine liebe [Hilde]!

Diese Woche ist schnell vergangen über der Arbeit, der planmäßigen und der zusätzlichen. Am Mittwoch bekam ich Deinen lieben Brief. Vielen Dank. Daß Kantatesonntag sei, kriegte ich erst spitz am Sonnabendabend, als ich mir die Choräle für Sonntag zurechtlegte. „Sollt ich meinem Gott nicht singen?“, einer meiner Lieblingschoräle. Ich besann mich dann auch darauf, daß Euer Treffen in Wittgensdorf stattfinden sollte. Und ob ich mich dafür interessiere! Schönen Dank auch für das Programm. Ich vermisse unter den Teilnehmern die Chöre von Limbach, Pleißa, Oberfrohna II, Niederfrohna, Bräunsdorf. Das Wetter am Sonntag war bei uns kühl und trübe, wenig einladend. Ich tippelte auf der Landstraße nach Bad Schandau. Kaffee Häntzschel mit seinen guten Kuchen zog mich an. Auf dem Wege dahin beschäftigten mich unsre Pläne für die nächsten Wochen und der Brief, in dem ich meine Eltern auf Deinen Besuch vorbereiten will. Über diesen Gedanken wird der Weg so kurz. Mittwochnachmittag begleitete ich zwei Berliner Sommerfrischler zum Hochbusch (Du brauchst die Stirn nicht zu runzeln, sie waren zwischen 50 u. 70). Wir wollten zum Plinsenschmaus. Die Plinsensaison war jedoch noch nicht eröffnet. Donnerstagnachmittag fuhr ich in Geschäften nach Sebnitz. Seit Mittwoch liegen auf der Kiste im Schlafzimmer Zählpapiere verschiedenster Größe und Farbe, und harren der Ausgabe und Bearbeitung. Bis zum Sonntag solle alles ausgeteilt sein. Bis Sonntag, den 21. Mai soll die Arbeit abgeschlossen sein. Aller Voraussicht nach kann ich also Mittwoch u. Donnerstag wegfahren und Dich besuchen. Du!, ich freue mich. Vielleicht kann ich au[c]h die von Dir ang[e]gebenen Zeiten einhalten. Heute Sonnabend erhielt ich die Order zur Untersuchung und Musterung: Mittwoch, den 17. Mai früh 7 Uhr. Ich hoffe, daß unsre Pläne dadurch nicht gestört werden, und daß am Nachmittag Du mich musterst, wennschon ein wenig anders als bei Soldatens [sic]. Der vor mir liegende Sonnabendnachmittag ist dicht besetzt. Zuerst will ich den Brief fertigschreiben. Nachhe[r] mich fein glatt machen. Heute abend ist Sängerausflug nach dem Beuthenfall. Du kannst Dir denken: ich bin schon ganz außer Rand und Band vor Freude. ‚Es wiederholt sich vieles gern’: Ich bin morgen wieder Kantor. Dazu muß ich heute nachmittag noch alle Zählpapiere austragen. Das wird reichlich 2 Stunden in Anspruch nehmen.

Mein Tag beginnt seit Ostern auch früh 5 Uhr. Ich habe mir angewöhnt, früh eine Stunde zu arbeiten. Dafür bin ich abends recht müde und bringe wenig fertig. Erspart ist damit nichts. Daß Du Dich so energisch für die Morgenpause eingesetzt hast, freut mich. Wenn man viel vorhat, bleibt wenig Zeit, Launen und Stimmungen nachzuhängen. Manchmal ist das gut. So ist auch dieser Brief eine Reifung von Tatsachen. Alle Stimmungen müssen vertagt werden und sind es schon auf Mittwoch und Donnerstag nächster Woche. Das Wort Stimmungen ist nicht ganz passend, aber es steht nun da, Du verstehst mich schon. Soll ich erst noch einen neuen Bogen anfangen? Bald wirst Du mich umfangen, wir werden uns küssen, lange, Du! Ich habe Dich recht lieb, ich küsse Dich und grüße Dich recht herzlich,

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946