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[OBF-390428-001-01]
Briefkorpus

Lichtenhain am 28. April 1939.

Meine liebe [Hilde]!

Als ich gestern (zum zweitenmal [sic]) unverrichteter Sache von unserem Postamt kam, war ich betrübt bei dem Gedanken, daß unsrer Begegnung höchstwahrscheinlich doch ein Hindernis im Wege stünde, und war auch fürs erste ein wenig ungehalten darüber, daß Du mich — was es auch sei — so lange im Ungewissen ließest. Ach wenn Du nur wüßtest, wie Du meine Ungeduld auf die Folter spanntest, Du Liebe, Böse! Du kommst! Und kommst schon zeitig! Und die ganze Zeit soll uns gehören! Ach, es konnte mir ja keine liebere Botschaft werden. Ich danke Dir ja so sehr. Und daß Du unser Recht auf diese Tage so gut vertratest. Ich erwarte Dich auf dem Hauptbahnhof. Deinem Wunsch, recht bald hinauszufahren, steht nichts im Wege. Er liegt auch in meinem Plan. Die Oper bringt ‚Margarethe’, daß mich nicht lockt, das Schauspielhaus eine Erstaufführung. Wenn das Wetter sich bessert und schön wird, habe ich gedacht, einen ganzen Tag auszufliegen, nicht anstrengend, ein kleiner Vorgeschmack für unsre Pfingstreise. Dazu wären nötig ein Paar feste Strümpfe und die bequemsten Schuhe. Aber auch sonst soll uns nicht bange werden darum, daß die Zeit vergeht. Fünf lange Wochen haben wir uns nicht gesehen! Du bist einen Geburtstagskaffee schuldig! Wie sollte ich die Anspielung auf Leckereien, mit denen Du Dich nicht möchtest hinhalten lassen sonst verstehen?! Kanne und Tassen und Kuchen brauchst Du nicht mitzubringen, die kriegen wir auch hier. Ja, auch H.s wissen von Deinem Geburtstag. Mein Drasch um das Paket blieb ihnen nicht verborgen, ich brauchte Holzwolle. Von dem Geschenk wissen sie nichts Genaues. Und denke, Frau H. schätzte Dein Alter auf das Jahr. Ich habe dazu keineswegs aufgefordert. Seit 14 Tagen schon weilt die Enkeltochter hier zu Besuch. Du kennst sie. Ich habe ihr gesagt, daß Du kommst und sie den Neubau räumen muß. Das will sie durchaus nicht, sie rüstet zu erbittertem Kampfe. Seit zwei Tagen sitze ich vor nackten Fenstern. Frau Hoffmann hat alles Waschbare beschlagnahmt. Du wirst alles wieder in bester Ordnung vorfinden.

So. Schluß, es ist schade um die Tinte. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]



Bitte grüße Deine Eltern. Sage ihnen auch meinen Dank für den Urlaub. Deiner lieben Mutter wünsche ich gute Erholung in ihren unfreiwilligen Ferien. Behüt Dich Gott, liebe [Hilde]! Reise glücklich.

Ich sehne mich nach Dir, Liebes, Süßes!

Ich habe Dich lieb, Du!

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946