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[OBF-390116-002-02]
Briefkorpus

Das Heim [dem Brief 390116-002-01 beigelegt]

Die Wände eines Heimes sind nicht aus Holz oder Steinen gefügt, sondern aus Wahrheit und Treue. Unerfreulichkeiten, Reibereien des Lebens, der Widerstreit der Persönlichkeiten, sie werden nicht durch persische Teppiche oder Parkettböden aufgehoben, sondern durch Versöhnlichkeit, Nachgiebigkeit und Selbstbeherrschung.

Die Vorhänge, die die Götter des Heimes vor den Augen der Unberufenen und Neugierigen verbergen, sind nicht aus Spitzen gewoben, sondern aus Diskretion. Die Nahrung des Heimes ist nicht Fleisch und Brot, sondern Rücksicht und Selbstlosigkeit; denn sie erhalten die Freude lebendig. Das wahre Getränk in einem Heim ist nicht Wasser oder Wein, sondern die Liebe selbst, der einzige Trunk, von dem man weiß, daß er zugleich nährt und berauscht. In einem Heim muß man nicht auf Daunen und weißen Linnen ruh'n, sondern mit einem guten Gewissen, auf dem keine Kränkung gegen Gott oder Mensch lastet. Das Heim ist nicht ein Ort, wo Körper sich begegnen, sondern ein Herd, auf dem sich [Fl]ammen vereinigen, Flammen, die um so heller strahlen und um so steiler gen Himmel steigen, je vollkommener ihre Vereinigung ist. Das Heim ist deine Festung in einer kriegerischen Welt, wo dir die Hand einer Frau die Rüstung umschnallt und dir am Abend Müdigkeit und Wunden lindert.

Das Licht in einem Heim soll nicht bei Tage nur das Licht der Sonne und nachts nur die elektrische Lampe sein, sondern das Licht aufrichtiger Zuneigung, das lieben Augen leuchtet und in treuen Augen brennt.

Der Keller des Heimes muß nicht mit Äpfeln und Weinen gefüllt sein, wohl aber soll die Erinnerung an heilige Vertraulichkeiten und kleinen Heldentaten, die der Welt unbekannt blieben und tapfer getragenes Leiden bergen.

Im Speicher häuft man nicht alte Koffer und Briefe und abgetragene Kleider, sondern man bewahrt dort Küsse auf, Blicke und Worte die beglückten, als man sie empfing. Und die nun von der Zeit in's Grau der Vergangenen getan, ein holdes Erinnern sind.

Die Schönheit des Heimes ist Harmonie,

 

Die Sicherheit des Heimes ist Treue,

 

Die Freude des Heimes ist Liebe,

 

Die Fülle des Heimes sind Kinder,

 

Das Gebot des Heimes ist Dienst am andern,

 

Das Behagen des Heimes ruht in zufriedenen Gemütern,

 

Die Ratten und Mäuse eines Heimes sind Neid und Argwohn,

Ein Heim, ein wahres Heim baut Gott selbst, der gleiche Gott, der die Menschen in die Welt baute.

 

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946