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[OBF-381228-001-01]
Briefkorpus

Bischofswerda am 28. Dez. 1938

Meine liebe [Hilde]!

Gestern erhielt ich Ihren Brief. Sie haben mich damit ein wenig aus dem Konzept gebracht. Ich will nun zuerst von Ihrer Gesundheit reden. Vom Ohr haben Sie nichts mehr geschrieben. Hoffentlich ist es wieder heil. Aber nun die Heiserkeit. Beobachten Sie sich recht genau! Und wenn Ihnen etwas unerklärlich oder gar verdächtig erscheint, ziehen Sie den Arzt zu Rate. Halten Sie sich warm. Gehen Sie nicht eher an Ihre Arbeit, als bis Sie sich ganz munter fühlen. Und nun gute Besserung.

Der nächste Brief sollte der Neujahrsbrief sein. Nun muß ich doch noch einen einschieben.

Am 2. Feiertag saß ich also auf der Bahn. 1/4 2 [Uhr] kam ich nach Lichtenhain. Der Schulleiter hatte mich zum Mittagessen gebeten. Bei ihm lag ein Paket für mich, Abs. Blumengleich Brinkmann, Limbach, ich wußte damit zunächst gar nichts anzufangen. Ich habe gleich ausgepackt — ein verspäteter Geburtstagsgruß von Ihnen. 6 Tage haben die Nelken im Paket gelegen, trotzdem waren sie noch ansehnlich und erholten sich. Was soll ich dazu sagen?

So habe ich mich noch auf keinen Geburtstagsgruß gefreut wie auf den Ihren dieses Jahr. So lieb und herzlich hat mich noch niemand beglückwünscht. Wie gut ist Ihnen der Brief gelungen, trotzdem ich Sie vorher — ganz unpädagogisch, so irregemacht hatte. Seien Sie herzlich bedankt.

Meine liebe [Hilde], ich glaube an Ihre Liebe. Sie ist ein [sic] mir ein Wunder, ein Geschenk. Ich weiß nicht, wie ich es verdiene. Aber ich will darum dienen. Ich möchte Sie jetzt bei mir haben. Bleiben Sie zuversichtlich, bleiben Sie stark in Ihrer Liebe.

In Ihrem lieben Brief schreiben Sie mir so bewegt von Ihrer Freude. Ich gönne Ihnen diese Freude von ganzem Herzen. Ich freue mich mit Ihnen und bin so froh, daß ich Gelegenheit hatte, Ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen. Es soll eine ganz reine Freude sein. Das Geschenk darf Sie nicht drü[ck]en, es verpflichtet zu nichts, ich habe ohne jede Berechnung geschenkt, ich wollte nur lieb zu Ihnen sein.

Ich freue mich, daß Ihre Eltern teilnahmen an Ihrer Freude und daß die gemeinsame Freude einen recht frohen Weihnachtsabend werden ließ. Es ist gut, wenn die Eltern sich mit sorgen. Seien Sie Ihrer lieben Mutter recht dankbar — wir sind beide Mutterkinder, liebe [Hilde] — der Vater soll deswegen nicht zu kurz kom[men].

Ich war ein wenig verstimmt bei dem Gedanken, mein Paket möchte nicht rechtzeitig angekommen sein. Die Post hat ja dies Jahr so versagt. Es ist ein ganz großer Zufall, daß Sie es schon Sonnabend erhielten. Mittwoch abend gab ich es auf. Denken Sie nur, Ihr Weihnachtspaket habe ich heute noch nicht. Dabei brauche ich gar nicht besorgt zu sein, daß es verloren ist, die Verspätung ist ganz normal.

Ich freue mich mit Ihnen über Ihren reichen Gabentisch. Mädchen Ihres Alters und deren Mütter denken ans Nestbauen. Das ist ihr gutes Vorrecht, ich fühle Ihnen diese seltsame, tiefgründige Freude nach und weiß es von Ihnen und Ihrer Mutter, daß Sie nicht engherzig und übertrieben sorgen.

Auch ich bin reich beschenkt worden.

Am Heiligabend besuchten wir um 5 [Uhr] die Christvesper. Gegen 7 [Uhr] brannten wir die Kerzen an. Wir waren alle gesund und froh beisammen, auch Bruder Soldat aus Erfurt, und waren darüber recht dankbar. Großmutter war im Geiste unter uns. Eine Stunde haben wir in stiller, trauter Runde um den Baum gesessen, vom Deutschlandsender kam ein erlesenes Weihnachtskonzert. Um 8 [Uhr] haben wir dann beschert. Für mich lag da ganz unerwartet und überraschend eine schöne, große Steppdecke, gefüttert mit Wollresten, die Großmutter schon lange dafür gesammelt hat. Von den anderen Geschenken erzähle ich Ihnen.

Eine Bescherung steht mir also noch bevor, ich freue mich darauf. Sie sollen sich nicht darüber betrüben, daß es nicht pünktlich ankam. Sie sollen überhaupt recht froh sein, damit Sie bald gesund werden. Die nächsten Tage schreibe ich an dem Neujahrsbrief, schon deswegen werde ich immer Ihrer denken. Diesen Brief will ich nun schließen und schnell besorgen, damit Sie bald ein Zeichen von mir in Händen halten.

Erholen Sie sich recht bald. Gott sei mit Ihnen. Ihre liebe Mutter wird alles tun. Bitte grüßen Sie Ihre Eltern.

Ich drücke Ihre liebe Hand ganz fest in Hoffnung und Vertrauen und grüße Sie recht herzlich

Ihr [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946