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[OBF-381215-001-01]
Briefkorpus

Lichtenhain am 14. Dez. 1938

Liebe [Hilde]!

Nun muss ich schon selbst kommen, damit Sie es glauben, dass ich recht froh bin, und daß Sie es sind, die mich so froh macht. Die kommenden Tage werden in dem Glanze der Vorfreude auf unser Wiedersehen stehn. Der heutige Mittwoch — er brachte mir Ihren lieben Brief — stand schon im Zeichen der Vorbereitungen für den Sonnabend. Ich bin nach Sebnitz gegangen, habe den verweslichen Leib einmal gründlich gewässert und ein wenig getankt von dem leidigen Unentbehrlichen. Über das Programm für Sonnabend — Sonntag bin ich mir selbst noch nicht ganz einig. Was spielen die Theater? Atsch [sic], vergessen. Wird sich finden. Ich werde in Chemnitz ankommen 1747 [Uhr]. Ihr Zug: Oberfrohna ab 1653 [Uhr], Chemnitz an 1727 [Uhr]. Diesmal will ich Sie suchen im Wartesaal II. Klasse.

Am Sonnabendnachmittag war ich also in Dresden. Wenn ich so vorsätzlich einkaufe, ist mir meist nicht ganz wohl. Manchen Tag hat man nicht die nötige Ruhe zu suchen und zu wählen. Leicht verkauft man sich dann und ärgert sich hinterher. Ich war mit dem Sonnabend ganz zufrieden. Die Weihnachtsgeschenke verursachen mir jedesmal Kopfzerbrechen. Im Rahmen des Möglichen möchte man gern einen richtigen Wunsch erfüllen. Das ist der wunde Punkt. Man sollte solchen Wunsch immer gleich aufzeichnen, damit man ihn nicht vergißt. Das Geschenk möchte nicht rein nützlich und praktisch sein. Es gehört zum Wesen des Geschenkes, daß der Gegenstand nicht etwas unbedingt Nötiges ist, es muß etwas an sich haben, was wir Luxus nennen.

Es freut mich, daß Sie sich das Konzert angehört haben, auch, daß Sie Ihre Mutter dazu auf die Beine brachten.

Meine Programmnummer am Sonntag ist gut vorbeigegangen. Ehe ich zur Kirche ging, habe ich das Briefchen zu mir gesteckt, das Ihrem Paket beilag, nicht aus einem Aberglauben, mir zum Zeichen, daß Sie mit mir waren. Schrieb ich Ihnen, was ich singen wollte? Es hätte sich gehört. Ich lege Ihnen eines der miesen Programm bei. In dulci jubilo, drei Könige, Christkind, die hörten Sie also schon am Sonnabend gesungen. Auf die letzten beiden hatte ich mich besonders gefreut. Sie sind mir auch gut gelungen. Wir hatten etwas 50 Besucher. Vielleicht bringt mir dieses Auftreten ein paar Verpflichtungen nach Sebnitz ein, ich würde mich freuen darüber. Zum Abendbrot war ich bei den Pfarrersleuten. Als ich nach Hause kam, habe ich noch einmal nachgelegt, habe den Kranz angezündet und in Ihren Briefen gelesen. Die Kerzen sind nun fast niedergebrannt, ich brauchte sie auch nicht mehr, am 4. Advent habe ich ja Sie selbst. Es ist jetzt ein[e] wunderliche Gesellschaft auf dem Tischchen. Eine rote Rose blüht und duftet. 2 erzgebirgische Lichtengel bewachen den Kranz, die habe ich mir aus Dresden mitgebracht.

Ja und nun, liebe [Hilde], lassen Sie mich für heute schließen. Morgen Donnerstag soll dieser Brief mit weg, morgen ist strammer Dienst, des Theaters wegen bis um 6 [Uhr]. Viel mehr wüßte ich heute auch nicht zu schreiben. Ich müßte denn dem Weihnachstbrief vorgreifen, den habe ich schon vor 4 Wochen begonnen. Bitte grüßen Sie Ihre Eltern.

Gebe Gott, daß wir uns Sonnabend froh und gesund wiedersehen!

Ich drücke Ihre Hand ganz fest voll Hoffnung und Vertrauen, meine liebe [Hilde], und grüße Sie recht herzlich

Ihr [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946