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[OBF-380725-002-01]
Briefkorpus

25.7.38.

Oberfrohna, am 25. Juli 1938.

Lieber Herr [Nordhoff]!

Einen schöneren Morgengruß hätte mir heute niemand br[in]gen können als Sie, mit Ihrer erlösenden Nachricht. Weil ich Sie nur außer Gefahr weiß, das übrige holen Sie nun schon noch auf; wie gut, daß Ihnen noch 14 Tage zur Verfügung stehen. Nützen Sie sie recht gut aus! Ich bin jetzt so froh und dankbar.

„Ach wären wir doch gleich zusammen gefahren, vielleicht wäre es nicht passiert,” so schrieben Sie im vorigen Brief — und wenn es so gekommen wäre. Ich hätte alles darangesetzt, Sie gesund zu bekommen, ohne denen zu Haus etwas merken zu lassen [sic]. Oder könnten Sie mir sowas nicht zutrauen?

Gestern habe ich bis abends gestickt. Ich hielt es nur bei einer Arbeit aus. Heute, gleich nach dem Morgenkaffee bin ich mit der Decke hinausgegangen. Weit draußen, da wo man nach Bräunsdorf geht, habe ich mich auf einer Wiese zwischen den Kornfeldern gelagert; mich gesonnt — und nachgedacht. Mittags 1/4 12 [Uhr] hätten Sie mich in Goslar empfangen. Jetzt würden wir vielleicht zusammen den ersten Spaziergang durch die Stadt unternehmen. Es schmerzt mich aber nicht, wenn ich daran denke, das dürfen Sie glauben. Ich will nicht[s] für mich. Ich bin ja so glücklich, seit ich Sie außer Gefahr weiß.

Denselben Weg wie heute ging ich im April dieses Jahres. Wie elend war mir da zu Mute. Ich war so am Ende mit allem. Ich entsinne mich noch, wie lange ich am Teich stand — dann begann das Schneetreiben.

Heute war alles so friedlich und still. Der Wald, wenn ich ihn so anschaue, erscheint er mir wie ein lieber Freund. Alles hat er die ganze Zeit mit angesehen; die Freude — das Leid. Ich denke mit Angst daran, wenn ich einmal fort müßte von hier — wäre es nur das Pflichthalbjahr des Arbeitsdienstes. Ich glaube ich müßte alle Kraft zusammennehmen um durchzuhalten.

Ih[ne]n wird es auch etwas schwerfallen, allem Lebewohl zu sagen in Bischofswerda; obgleich Sie ja das Ziehen gewöhnt sind, durch Ihren Beruf. Es wird Ihnen vielleicht nicht so hart ankommen, als den Eltern. Nach solch einer Zeit stelle ich mir eine Wendung nicht so einfach vor. Doch bei der Stellung Ihres Vaters ist ja so etwas Voraussetzung. Nun haben Sie [sic] noch ein Stück weiter von Lichtenhain aus. Übrigens da fällt mir ein, Ihren Vorschlag damals, daß ich [m]eine Ferien auch in Lichtenhain bei Ihrer Wirtin verbringen könnte, hätte ich gar nicht annehmen können. Ich vergaß, daß ja Fam. G. schon seit Beginn der Ferien dort weilt. Die hätten sich ja schön verwundert, mich da zu treffen. Und offengestanden — ich hätte kein reines Gewissen gehabt, ihnen gegenüber.

Ich bin einverstanden, wenn wir uns am Sonntag in Dresden treffen. Aber nur, wenn Sie völlig gesund und munter sind, hören Sie? Ein wenig habe ich schon gelesen in meinem Buch. Soll ichs mitbringe[n]? Es mutet mir fast so an, wie eine Erzählung von Theodor Storm. „Immensee” habe ich gelesen, aber an die Ausdrucksweise erinnere ich mich nur noch dunkel.— In die Schulbibliothek gehe ich erst, (Friedemann Bach holen) wenn die Ferien vorbei sind, jetzt wird niemand da sein.

Nun gehe ich noch ein wenig an die Luft und solange es noch schön ist tüchtig schwimmen. Am meisten freue ich mich aufs Schlafen[ge]hen, von abends 8 bis morgens um 7 Uhr!— Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und grüße Sie, auch im Namen der Eltern recht herzlichst,

Ihre [Hilde Laube].

Lassen Sie mich das Glück mit Ihnen teilen, ich fand es heute morgen draußen.

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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946