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[OBF-380723-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 23. Juli 1938.

Lieber Herr [Nordhoff]!

Ich habe es gespürt ganz sicher, seit Donnerstag.

Am Mittag war Geschäftsschluß, seitdem hatte ich eine nervöse Unruhe in mir. Ich habe dies Gefühl zu unterdrücken gesucht, schob es auf die Aufregung wegen der Reise. Obwohl ich sonst nicht abergläubig bin, ein Vorfall ließ doch eine bange Ahnung in mir wachsen. Vorigen Sonntag beim Mittagstisch zersprang ein Weinglas, ohne daß es jemand berührte — ausgerechnet meines. Und heute Ihre traurige Nachricht.

Wie haben Sie mich erschreckt. Ich habe so große Angst um Sie. Hat sich Ihr Zustand unterdessen verschlimmert? Wird man Sie gar ins Krankenhaus bringen wollen? Diese Fragen beschäftigen mich unausgesetzt, bleiben unbeantwortet. Und ich sitze hier, weiß nicht, was mit Ihnen geschieht.

Ich will keine Ferien, ich will nicht nach Halle zu den Verwandten, meine Gedanken sind ja doch woanders.

Ich möchte bei Ihnen sein — was gäbe ich darum.

Ihre Mutter darf Sie vielleicht pflegen; wie schön das ist.

Eine unheimliche Ruhe ist über mich gekommen. Ich warte ja nur — warte. Ob ich das zu Haus tue, oder in Halle, ist ja gleich. Sie beratschlagen was nun werden soll, sie wollen mich auf andre Gedanken bringen. Vater will die Urlaubskarte eintauschen, gegen eine nach Halle. Ich werde tun, was sie wünschen, mir ist das alles so gleichgültig.

Warum mußte das kommen? Sie haben recht, wir wollen diese Frage nicht zu ergründen suchen. Vielleicht wäre es zu viel des Glücks für mich gewesen.— Ich reiße mich zusammen, ich will gewiß tapfer sein, weil Sie es wollen. Es macht mich nur so traurig zu denken, herausgerissen aus den Ferien — aus der Freude und — aufs Krankenlager. Dasselbe wie vor 2 Jahren.

Noch vor wenigen Tagen erhielt ich Ihre lieben Zeilen, Ihre Reiseschilderung und diese beiden herrlichen Aufnahmen, wofür ich Ihnen sehr danke — und nun dies Ende. O ich kann Ihnen nachfühlen, wi[e] [S]ie kämpften; doch war Ihr Entschluß das einzig Richtige was Sie tun konnten.—

Ich bitte Sie, denken Sie jetzt nicht über mich nach, machen Sie sich keine Sorgen. Sondern befolgen Sie recht brav die Anordnungen Ihres Arztes, damit Sie recht, recht bald wieder gesund werden. Jetzt ist wieder Sonnenschein draußen; wenn es Ihnen irgendwie möglich ist, legen Sie sich heraus.

Sonnenschein und Wärme, das brauchen Sie.

Sobald Sie können schreiben Sie mir bitte und wenn es wenige Zeilen sind, über Ihr Befinden. Ich muß Gewißheit haben.

Die kommenden Tage, ich werde sie ertragen. Es ist uns eine Zuflucht gegeben. Ich werde beten für Sie — immer.

Nun Gott mit Ihnen. Herzliche Grüße und recht baldige,

völlige Besserung wünscht Ihnen

Ihre [Hilde Laube].

Die Eltern waren auch sehr erschrocken über Ihre Nachricht und bedauern aufrichtig. Sie danken für die Grüße. Grüßen ebenfalls herzlich, verbunden mit den besten Wünschen für Ihre baldige Genesung. Bitte entschuldigen Sie diese Schrift, ich bin wohl noch zu aufgeregt.

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946