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[OBF-380716-001-01]
Briefkorpus

Bischofswerda den 16. Juli 1938.

Liebes Fräulein [Laube]!

Ich war guter Hoffnung und doch bis zuletzt im Zweifel. Danken Sie Ihren Eltern für die hochherzige Zusage. Schätzen Sie sich glücklich, daß Sie eine Mutter haben, die Ihnen manchmal eine Moralpredigt hält in Sorgen um Ihr Glück, muß soviel Güte nicht zuletzt von Segen sein? Ich danke Ihnen, daß Sie meine Weisungen so gut befolgt haben. Sie haben das Hauptverdienst am Zustandekommen dieser Fahrt. Es ist leichter, eine Botschaft abfassen [sic] als sie überbringen [sic].

Und nun gönne ich Ihnen die Freude von Herzen. Es wäre zu schade gewesen, hätten Sie Ihre Ferien zu Hause versitzen müssen. Ich brauche nun nicht allein zu reisen. Es wäre mir diesmal schwer gefallen. Wahrscheinlich hätte ich mich dem Bruder angeschlossen. Und nun wollen wir hoffen, daß die Fahrt gelingt. Dann werden wir um manche Freude reicher heimkehren.

Ich werde also Montag abreisen. Meine Reise wird ungefähr so verlaufen:

1. Tag: Naumburg (Dom), 2. Tag: Kyffhäuser, Barbarossahöhle, 3. Tag: Nordhausen. 4. Tag: Mit der Bahn quer durch den Harz nach Wernigerode. 5. Tag: Wernigerode. 6. & 7. Tag: Goslar: von hier Ausflug ins Bergbaugebiet Klausthal-Zellerfeld und eventuell eine Brockenbesteigung.

Was ich mit Ihnen zu sehen hoffe, nehme ich nicht vorweg. Das Schönste habe ich ans Ende der Reise gelegt.

In Goslar werde ich immer schon Quartier machen und Montag 1113 zum Empfang bereit am Bahnhof stehn.

Wie Sie mich schriftlich erreichen können: Was Sie bis mit [sic] Dienstag abschicken, erreicht mich Wernigerode (Harz) postlagernd

Was Sie später abschicken Goslar postlagernd.

Ihre Ausrüstung:

Bequeme feste Schuhe, keine dünnen Strümpfe, etwas Anzuzieh[e]n gegen Kühle und Regen, was zur täglichen Toilette unerläßlich ist (Kamm! Pantoffeln).

Ich schlage vor, machen Sie ein Päckchen, es findet dann alles Platz in meinem großen Rucksack. Den werde ich nur selten zu schleppen haben, da wir Standquartiere beziehen.

Sollten Sie <<Viktoria>> schon käuflich erworben haben, legen Sie den Roman zu Ihrem Gepäck. Bitte händigen Sie Ihren Eltern das beiliegende Schreiben aus und legen Sie ihnen den Reiseplan vor.

Warum erst Fahrkarte Halberstadt und dann nachlösen, das hat seinen guten Grund, ich werde es Ihnen mündlich auseinandersetzen.

Worauf ich mich nun besonders freue, und mit welcher Freude ich Sie anstecken möchte?

Ø Auf die alte Stadt Goslar mit der berühmten Kaiserpfalz. Sie liegt ganz entzückend an die Harzberge gelehnt, am Rande der Ebene[.] Zweimal bin ich schon durchgefahren und wünschte jedesmal, aussteigen zu können.

Ø Auf Quedlinburg oder Halberstadt (das ist noch offen) mit seinem Dom, wir werden versuchen, einem Gottesdienst darin beizuwohnen.

Ø Auf die Brockenbesteigung, auf die Fernsicht, wenn sie uns beschert ist, der Brocken, 1145m hoch, der höchste Berg Norddeutschlands, der sagenumwobene Blocksberg.

Ø und sonst noch auf manchen schönen Ausblick, die Harztäler (Oker- Ilse- Bodetal), das Naturwunder der Hermannshöhle,

auf manch schöne Rast,

auf die mannigfachen kleinen Erlebnisse,

die gar nicht im Programm stehen.

Und nun eile ich zu schließen. Es ist Sonnabend am Nachmittag 4 Uhr. Ich werde jetzt darangehen, meinen Rucksack zu packen. Gleich wird Bruder Soldat auf Urlaub kommen. Morgen wird auch Leben im Hause, eine Verwandte aus Mexiko kommt zu Besuch.

Bleiben Sie gesund! Gute Reise!

Recht herzliche Grüße

von Ihrem [Roland Nordhoff].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946