Bitte warten...

[OBF-380623-001-01]
Briefkorpus

21.6.38

Lichtenhain am 23.6.1938

Liebes Fräulein [Laube]!

Auch ich schied unzufrieden. Es war eine kurze, übereilte Begegnung. Ich war etwas abgehetzt, und ich fand Sie angegriffen und abgespannt und unruhig. Wir haben uns kaum ein herzliches Wort gesagt. Es lohnt gar nicht, weiter darüber zu schreiben und nachzudenken.

Ich habe Ihre Abfahrt abgewartet und beobachtet, bin dann an der Elbe lang nach Wehlen, von da nach der Bastei gegangen. Müde und ziemlich erschöpft langte ich oben an und habe fast 2 Stunden beim Kaffee auf der Elbterrasse gesessen. Anfangs war da ein toller Betrieb. So gern ich dem einfachen Mann das Reiten gönne, aber diese Fahrten zu 50 und mehr, diese Massenabfütterungen, diese Reiseindustrie, das ist ein betrübliches Bild. Erhoben und erbaut werden diese Menschen nicht. Ich habe Sie bedauert und bin gewiß, daß auch Sie das Unzulängliche dieses Betriebes schmerzlich empfunden haben. Wo 50 Menschen auf einmal auftreffen, fliegen alle wahren Freuden. Durch den Amselgrund bin ich zurück nach Rathen, Eisenbahn und Auto brachten mich nach Hause. Am Sonntag war ich nur eben zum Nachmi[t]tagskaffee im Beutzenfall [Unklar].

Hoffentlich steht unsre nächste Begegnung unter einem glücklicheren Stern. Voraussichtlich also am 10. Juli, vielleicht schon am 3. Juli. Für alle Fälle beifolgend kurz und militärisch einige Hinweise:

Oberfrohna ab 654 [Uhr]
Chemnitz an 724 [Uhr]
Chemnitz ab  742 (Bahnsteig 14, Schnellzug)
Dresden an   913

Sie lösen Sonntagskarte Dresden, k. [sic] etwa 5,40 M
Dazu einen Schnellzugzuschlang,              1, –  "
zusammen               6,40 M

In Dresden angekommen (Bahnsteig 11), warten Sie bitte auf mich.
Verspricht es schön zu werden: Anzug für überland, Schuhe, in denen Sie gut laufen können.
Verspricht es anders zu werden: Anzug für die Stadt.

Ich schrieb, daß es der Zustimmung Ihrer Eltern bedarf und bat Sie, sich dazu zu äußern. Damit meinte ich nicht, daß Sie mir raten sollten, ob oder ob nicht; es soll auch kein langes Verhandeln werden. Aber ich muß Ihre Eltern um ihr Vertrauen bitten und ihnen versichern, daß ich mich Ihnen in ehrlicher Absicht nähern will. Lesen Sie bitte das Schreiben durch, und wenn Sie es billigen, leiten Sie es bitte weiter, wie und wem zuerst, das will ich Ihnen gern überlassen. Nehmen Sie an — Gott wolle es verhüten — es geschieht Ihnen etwas, oder ganz [g]eringfügig, Sie verpassen einen Zug — Ihre Eltern haben eine gewisse Beruhigung und jedes Mißtrauen ist zunächst gebannt. Eines bitte ich Sie noch: (Wenn Sie es für nötig halten) daß Sie geschickt und taktvoll den Wunsch durchblicken lassen, es möchte unsre Verbindung zunächst unser Geheimnis bleiben; Ich konnte das nicht mit auf den Brief schreiben.

Ich schrieb: es wird nicht ganz leicht sein, daß wir uns nähertreten. Die Schwierigkeit von meiner Seite sehe ich darin: Ich muß mich davor hüten, daß ich förmlich kühl und höflich werde, meine Sprache mag diese[n] Eindruck leicht erwecken. Die Schwierigkeit von Ihrer Seite erblicke ich darin,daß Sie Ihre Meinung gering achten, damit hinterhalten und Ihr natürliches Wesen unterdrücken. Damit würden wir einander etwas vormachen, das wäre nicht ehrlich und fruchtlos. Damit ist nicht gemeint, daß wir einander nicht auch etwas zuliebe tun sollten, daß wir nicht voneinander lernen sollen.— Ich wußte, daß Si[e] noch sehr jung sind. Als ich nun die 18 las, mußte ich daran denken, wie unfertig und ungeklärt ich mit 18 Jahren noch war. Bis zum 25. Lebensjahre wächst der Mensch, nicht so äußerlich in die Länge, sondern er wächst sich aus, reift aus. Denken Sie daran, wenn Sie einmal unzufrieden mit sich sind.

Seien Sie für heute herzlich gegrüßt

von Ihrem [Roland Nordhoff].

Karte
Kommentare
Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.380623-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946